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Seite zuletzt geändert am: 1. Juli 2015

Migration in Österreich 1    

Ein Beitrag zur Theorie und Konzeption einer Migrationsgesellschaft im Kontext Politischer Bildung und Interkultureller Kompetenz    

Günther Dichatschek

Inhaltsverzeichnis dieser Seite
Migration in Österreich 1   
Ein Beitrag zur Theorie und Konzeption einer Migrationsgesellschaft im Kontext Politischer Bildung und Interkultureller Kompetenz   
Vorbemerkungen   
1 Aktualität der Thematik   
2 Theorien und Konzepte   
2.1 Pädagogische Konzepte   
2.1.1 Interkulturelle Pädagogik nach GOGOLIN/KRÜGER-POTRATZ   
2.1.2 Konzeption nach NOHL   
2.1.3 Zielsetzungen nach AUERNHEIMER   
2.1.4 Migrationspädagogik nach MECHERIL   
2.1.5 Interkulturelle Erwachsenenpädagogik/-bildung nach HEINEMANN/ROBAK   
2.2 Diskurs zum Kulturverständnis   
2.2.1 Kulturalisierung   
2.2.2 Hybridisierung   
2.2.3 Transkulturalität   
2.2.4 Othering   
2.2.5 Repräsentationsverhältnisse   
2.3 Rassismuskritik   
2.3.1 Rassismus   
2.3.2 Institutionelle Diskriminierung   
2.3.3 Critical Whiteness   
2.3.4 Intersektionalität   
2.3.5 Interkulturelle Bildung   
2.4 Pädagogische Professionalität   
2.5 Sprachenerwerb   
2.5.1 Sprachdidaktik   
2.5.2 Sprachbiographie   
2.5.3 Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen/GERS   
2.5.4 Sprachprüfungen und Zertifikate   
3 Migrantentum in Österreich   
Einwanderung - Asyl - Zielland   
Begrifflichkeit Migration   
Kulturelle Vielfalt in Österreich/Zahlen-Daten-Fakten   
3.1 Schmelztiegel Wien: Geschichte und Zuwanderung   
3.2 Migration nach Wien   
3.3 Migration nach Österreich - Berühmte Österreicher mit Migrationshintergrund   
3.4 Christliche Migrationsgemeinschaften   
3.5 Buchbesprechung   
3.6 Islam   
3.6.1 Modell Österreich   
3.6.2 Islamische Erziehung nach dem Koran   
3.7 Österreich   
3.8 Sprachpolitik und Sprachprobleme   
3.9 Zeittafel zu Minderheitsfragen in Österreich   
3.10 Beratungszentrum für Migranten und Migrantinnen Wien   
3.11 Dokumentation AK Vorarlberg/Wahl 1999   
3.12 Tirol   
3.13 Vorarlberg   
3.13.1 Besonderheiten   
3.13.2 Migration nach dem Zweiten Weltkrieg   
3.13.3 Aktuelle Migration   
3.13.4 Integrationsarbeit in Vorarlberg   
3.14 Frauenspezifische Aspekte   
STATISTIK - BERICHTE/Auswahl   
Statistisches Jahrbuch für Migration und Integration 2010: STATISTIK AUSTRIA   
Integrationsbericht 2011 des Innenministeriums/B.M.I   
Integrationsstaatssekretariat des BM.I - 20 Vorschläge zur Integration/6. Juli 2011   
Wanderungstatistik 2012   
Bildungsstand der migrantischen Bevölkerung 2012   
Globale Migration   


Vorbemerkungen    

Der Beitrag findet seine Begündung


Hintergrund einer Bearbeitung der Migrationsproblematik ist


Zum besseren Textverständnis soll auf den häufig in der Fachliteratur und in der Verwendung dieses Textes gebrauchten Begriff Schüler/innen mit Migrationshintergrund hingewiesen werden. Im schulischen Kontext ist dieser Begriff nur bedingt geeignet, weil er auch die Klientel umfasst, die im Alltagsdiskurs und im schulischen Umfeld nicht mit dem Thema Migration in Zusammenhang bringt, beispielsweise die Gruppe deutscher Schüler/innen an österreichischen Schulen. Da aus pädagogischer Sicht die Sprache ein wesentlicheres Merkmal als die Staatsbürgerschaft darstellt, sollten/werden deshalb die zwei- oder mehrsprachigen Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund, mit denen sich Texte in diesem Projekt auseinandersetzen, besser als "Schülerinnen und Schüler mit anderen Erstsprachen als Deutsch" bezeichnet.

1 Aktualität der Thematik    

Eine Fülle von Fachpublikationen und Medienberichten weisen darauf hin, dass dem Bereich des Migrantentums vermehrt Bedeutung zugemessen wird. Erkenntnisse über den Migrationshintergrund sind ebenso wesentlich wie die Forderung nach Konzepten für ein Funktionieren einer multikulturellen Gesellschaft. Fast alle EU-Länder - man beachte als Ausnahmen etwa Finnland und die baltischen Staaten - haben sich als Einwanderungsländer entwickelt.

Für Österreich und Deutschland gilt dies jedenfalls(vgl. WEIGL 2009).


Eine vielfältige sozio-kulturelle Gesellschaft ist in Europa und im außereuropäischen Raum Realität. Vielschichtig sind die Migrationsmotive und Formen der Mobilität. Migration kann als konstitutives Merkmal gesellschaftlichen Wandelns im "Zeitalter der Migration" in Herkunfts- und Zielländern bezeichnet werden(vgl. CASTLES-MILLER 2003).
Gerade Österreich hat eine lange Tradition im Zusammenleben verschiedener Ethnien, Wien ist historisch multikulturell per se(vgl. DICHATSCHEK 2006, 9). Im EU-Vergleich funktioniert hier die Integration von Muslimen, wengleich regional unterschiedlich(vgl. Punkt 6/Zeitungsdokumentation - Salzburger Nachrichten v. 10.6.06, 6).

Benötigt wird ein Einwanderungskonzept auf EU- und Nationalbasis in Verbindung mit einer Migrations- und Integrationspolitik(vgl. JOHNSON 2006, 9).


Dem Bildungs- und Erziehungsbereich kommt entscheidende Bedeutung zu(vgl. MECHERIL 2004, AUERNHEIMER 2005). Damit sind die Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft und Kulturwissenschaften - aus der Perspektive des Autors insbesondere die Politische Bildung im Kontext mit Interkulturellem Lernen und Vorberuflicher Bildung/Erziehung - mit grundlegenden Überlegungen und Konzepten gefordert(vgl. dazu die Autorenbeiträge unter http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Theorieansätze der Politischen Bildung, Interkulturelle Kompetenz und Vorberufliche Bildung in Österreich).

Gefordert wird demnach die mit Migration verbundenen Phänomene in Theorie, institutionellen Strukturen, Konzeptionen und Angeboten mit einem politisch-gesellschaftlichen Selbstverständnis zu reflektieren und einzubeziehen.

Es geht also um heterogene Gruppierungen von Lernenden etwa in sprachlicher, sozialer und kultureller Hinsicht, die Bekämpfung von Rassismen und Diskriminierung, Fragen der Partizipationschancen und rechtliche Bedingungen(etwa Bildungsabschlüsse, Asylrecht und Integrationsvereinbarungen).

Für die Integration in die Arbeits- und Berufswelt sind vorberufliche Bildungsmaßnahmen im schulischen und außerschulischen Bereich notwendig. "Notwendig ist eine zielgruppenspezifisch differenzierte Ausrichtung vorberuflicher Bildungsangebote, die die Einmündung in eine voll qualifizierte Ausbildung erheblich voranbringt"(GRANATO - ULRICH 2009, 51).


Grundlage für Entscheidungen können nur verlässliche Daten sein. Die nationale und internationale Politik ist mit einem zeitgemäßen Gesetzeswerk in der Verantwortung(vgl. DINCER 2006).

2 Theorien und Konzepte    

Erkenntnisse zur Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft in einer Migrationsgesellschaft kommen aus zahlreichen Theorien und Forschungsfeldern.

2.1 Pädagogische Konzepte    

Auf Grund der Komplexität und Widersprüchlichkeit lässt sich eine eindeutige Differenzierung der vorhandenen Theorien und Konzepte nicht vornehmen. Nach KRÜGER-POTRATZ(2005)können Ordnungen etwa aus der Sicht von Zielvorstellungen, Programmen, Perspektiven der Autorenschaft unter Hinweis auf Gesellschaftstheorien bzw. konkreten Konzeptionen getroffen werden.

Zumeist können sie auf die Schul- und Erwachsenenpädagogik/Weiterbildung übertragen werden.

2.1.1 Interkulturelle Pädagogik nach GOGOLIN/KRÜGER-POTRATZ    

Ingrid GOGOLIN und Marianne KRÜGER-POTRATZ(2006)gehen von unterschiedlichen Kulturbegriffen aus, etwa nationalstaatlichen Definitionen und resultierenden Begegnungskonzepten. Ebenso gint es Konzepte, die sich um die Vermeidung von Kulturalisierung bemühen bzw. den Kulturbegriff differenzieren.

Unterschieden werden kulturanthropologische und gesellschaftstheoretische Ansätze. Ebenso werden Ansätze Interkultureller Pädagogik mit postmodern-philosophisch und soziologisch zugrundeliegender Konzeption unterteilt.

2.1.2 Konzeption nach NOHL    

Arnd-Michael NOHL(2010) unterscheidet

2.1.3 Zielsetzungen nach AUERNHEIMER    

Georg AUERNHEIMER(2007) arbeitet verschiedene Zielsetzungen und Prämissen interkulturellen Lernens wie soziales Lernen, Umgang mit Differenzen, interkulturelle Dialoge, multiperspektivische Allgemeinbildung, Mehrsprachigkeit und antirassistische Erziehung aus.

Weitere Unterscheidungsmöglichkeiten sind eine Pädagogik mit verstärkter Ausrichtung von individuellem Handeln und einer stärker die gesellschaftliche Dimension berücksichtigende Pädagogik.

2.1.4 Migrationspädagogik nach MECHERIL    

Paul MECHERIL et.al.(2010) entwickelten eine eigenständigen Ansatz zur Bildung in einer Migrationsgesellschaft. Migrationspädagogik ist eine Orientierung, welche durch spezifische Perspektiven gekennzeichnet ist.

Plädiert wird für eine kritisch-reflexive Sichtweise auf Differenziertungspraktiken, die auch im Bildungswesen die "Anderen" und "Nicht-Anderen" konstruieren.

2.1.5 Interkulturelle Erwachsenenpädagogik/-bildung nach HEINEMANN/ROBAK    

Alisha HEINEMANN und Steffi ROBAK(2012) orientieren sich weniger an theoretischen Konzepten, vielmehr an einer Ordnung des Praxisfeldes wie

2.2 Diskurs zum Kulturverständnis    

Ein Diskurs bzw. eine Ausdifferenzierung von Ansätzen in Theorie und Praxis fand in den letzten Jahrzehnten statt. Hier ging es um gesellschaftstheoretische Ansätze, Definitionen und die Verwendung eines Kulturbegriffes, Zuschreibungsprozesse, Repräsentationsansprüche und das Verhältnis zwischen struktureller Ausgrenzung und individuellem Handeln.

2.2.1 Kulturalisierung    

Immer noch gibt es einen essentialistischen Kulturbegriff, bei dem Kulturen als abgeschlossenes Ganzes(Kulturkreis) gesehen und mit scheinbaren Abstammungsgemeinschaften(Ethnien) gleichgesetzt werden.

Damit kommt es zu einer Abgrenzung zwischen dem Eigenen und dem Fremden("Anderen"). In einer globalisierten Welt ist eine solche Sichtweise zunehmend fragwürdig, ein prozesshaftes Kulturverständnis sollte vielmehr angestrebt werden. Es bedarf einer Verständigung der Kulturen.

Kritisch wird beleuchtet, dass die Gefahr besteht, dass mit der Annahme von kulturellen und/oder ethnischen Unterschieden sozialstrukturell bedingte Ungleichheiten, Rassismen und Diskriminierung verschleiert wird(vgl. ADORNOs Kritik 1977, in der "Kultur" als Ersatz für andere Begriffe wie etwa "Rasse" verwendet und Herrschaftsansprüche versucht werden zu legitimieren). Aktuell werden politische Konflikte mit Bezug auf KLultur und Ethnizität erklärt. Damit wird von "Kulturalisierung" gesprochen.

Ein solcher Gebrauch des Begriffes "Kultur" führt dazu, dass politische Aufgaben der Pädagogik zugeschoben werden und die notwendigen Veränderungen von Strukturen in den Hintergrund treten.

2.2.2 Hybridisierung    

Postkoloniale und postmoderne Kulturtheorien lehnen ein traditionelles Kulturmodell ab und weisen auf das permanente Durchmischen kultureller Strömungen hin. Die Begrifflichkeit "Kultur" wird nicht nur auf nationale bzw. ethnische Aspekte bezogen, vielmehr im weitesten Sinne auf Differenzmerkmale und Zugehörigkeiten wie Lebenswelten, Subkulturen und Milieus. Begrifflichkeiten wie "Hybridisierung"(Homi BHABHA)und "Mehrfachzugehörigkeit"(Paul MECHERIL)werden dafür verwendet.

Der von den "Cultural Studies" verwendete Kulturbegriff umfasst alltägliche soziale Praktiken der Aneignung von Lebensbedingungen und ihrer Interpretation(vgl. KALPAKA-MECHERIL 2010, 77-98).

2.2.3 Transkulturalität    

Wolfgang WELSCH(2011, 149-158) wendet sich gegen den Begriff "Interkulturalität". Der Begriff überwinde nicht die traditionelle Kulturvorstellung, vielmehr ziele er nur auf die Bekämpfung von Folgen ab. Er hebe die interne Differenzierung und Komplexität moderner Kulturen in ihrer Vielfalt hervor.

Menschen agieren aber mit allen möglichen Einflüssen(Globalisierung), unterschiedliche Lebenspraktiken durchdringen sich(Transkulturalität). Kritisch ist zu vermerken, dass eine umfassende Dekonstruktion des kritisierten Kulturverständnisses hier nicht gelingt.

2.2.4 Othering    

In postkolonialen Theorien werden Unterscheidungspraktiken wie Fremdheit und Andersheit hergestellt(vgl. Edward SAID 1991/"Othering" - Stuart HALL 1994).

Interkulturelle Kompetenz/Pädagogik verlangt die Wertschätzung einer Differenz. Die Anerkennung des "Anderen" ist ein wichtiges pädagogisches Prinzip, Zuwanderer müssen in ihrer "Andersheit" miteingeschlossen werden(vgl. MECHERIL mit dem Begriff der Konstruktion von "Migrations-Anderern").

2.2.5 Repräsentationsverhältnisse    

In den letzten Jahrzehnten gab es Erkenntnisse über Zuwanderer und für Zuwanderer. Auffallend war der geringe Diskurs, in dem sich Personen mit Migrationserfahrung bzw. Geschichte selbst einbrachten. In diesem Spannungsfeld von Selbst- und Fremdrepräsentation gibt es nunmehr eine Selbstorganisation von Migrantinnen und Migranten.

Zunehmend kommt es zu migrantischen Akteurinnen und Akteure in der Weiterbildung. Beispiele zeigen eine Subjektorientierung und Reflexion der Standortgebundenheit(vgl. ROSE 2012; MECHERIL/THOMAS-OLALDE/MELTER/ARENS/ROMANER 2013).

2.3 Rassismuskritik    

Personen mit Migrationsbiographie bzw. farbiger Hautfarbe ("Nicht-Weiß") können von Diskriminierungspraktiken betroffen sein. Individuelle rassistische Handlungen und Erfahrungen werden mitunter durch rechtliche Rahmenhandlungen, institutionelle Struktuiren und Praktiken begünstigt bzw. verursacht. Ausgrenzende gesellschaftlioche Diskurse mit historischen Belastungen begünstigen ebenfalls das Phänomen.

Politische Bildung und Interkulturelle Kompetenz/Bildung zeigen Rassismen auf und entwickeln Strategien zu deren Bekämpfung.

2.3.1 Rassismus    

Ausgehend von Kolonialismus in weiten Teilen der Welt und entsprechender Rassentheorien, belastend durch den Nationalsozialismus mit rassistischer Ideologie und Antisemitismus,kommmt es zu einer Tabuisierung, damit zu einer begrifflichen Ersetzung wie "Ausländer-" bzw. "Fremdenfeindlichkeit".

Nach RÄTHZEL(2000) können sich in den Termini "Ethnien" oder "Kulturen" durchaus rassistische Ideologien und Diskurse verbergen. Es wird daher auch von Neorassismus bzw. Rassismen gesprochen.

Aktuelle Feindbilder gibt es in einer Migrationsgesellschaft etwa in islamfeindlichen und/oder antiziganistischen Diskursen(vgl. END-HEROLD-ROBEL 2009).

Im Rassismus werden Gruppen mit tatsächlicher oder scheinbarer biologischer und kulturell-sozialen Merkmalen konstuiert und als minderwertig definiert. Kennzeichend ist ein binäres Schema" (Wir - Nicht-Wir) mit der Zuordnung von bestimmten Merkmalen.

Von Interesse isr ROMMELSPACHERs(2009) Ergänzung, wonach Diskriminierung nicht bloß als Ergebnis individueller Vorurteile zu beschreiben ist, vielmehr auch Machtverhältnisse dar.

MELTER(2006) unterscheidet zwsichen alltäglichem, strukturellem und institutionellem Rassismus sowie Alltagsrassismen in veröffentlichten Diskursen.

2.3.2 Institutionelle Diskriminierung    

Diskrimierung ergibt sich in der Schlechterstellung von Individuen bzw. Gruppioerungen mit untzerschiedlichen Merkmalen(etwa Gender, Alter, Behinderung und Religion). Rassismuskritische Ansätze in Migrationsgesellschaften beziehen sich darüber hinaus auch auf Konstruktionen sogenannter "ethnischer Gruppen"(vgl. HORMEL 2007).

Institutionelle Diskriminierung ergibt sich aus normalen politischen und ökonomischen Strukturen, durchaus auch ohne konkrete Vorurteile(vgl. etwa Gesetze, Erlässe, Verordnungen, Zugangs- und Verfahrensregelungen). Ebenso kann auch unprofessionelles Handeln von Institutionen und Organisationen mit ihren Mitarbeiterstab Ausgrenzungen und Benachteiligungen ergeben(vgl. MELTER 2006). Mandenke nur an Gleichbehandlungsstrategien, wenn ignoriert wird, dass es bevorzugte und benachteiligte Gruppen mit unterschiedlichen Möglichkeiten der Nutzung von Angeboten gibt(etwa als Erstsprache nicht Deutsch).

2.3.3 Critical Whiteness    

"Kritische Weißseinsforschung" ist eine Forschungsrichtung, in der die Normierung des Weiß-Seins hinterfragt wird. Weiß-Sein wird nicht biologisch, vielmehr als wirksame soziale Kategorie betrachtet, wonach das Abweichende als "Anderes" gesetzt wird.

Rassismusforschung bezieht sich zumeist auf die Auswirkungen rassischer Zuschreibungen. Critical Whiteness rückt vielmehr die Norm in den Vordergrund. Es geht also um Strukturen und Gründe von Normierungen. Weiß-Sein wird zum Thema der Reflexion, etwa Privilegien sichtbar machen. Veränderungen sollen eingeleitet werden(vgl. WALGENBACH 2008, 45-66; RÖGGLA 2012).

2.3.4 Intersektionalität    

Dieser Forschungsbereich befasst sich mit sozialen Kategorien wie etwa Gender, Ethnizität, Nation und Klasse, dei nicht isoliert betrachtet werden sollen. In der Analyse ergeben sich Überkreuzungen("intersections") und Vernetzungen, es zeigen sich Wechselwirkungen(vgl. WINKER-DEGELE 2010).

Entstanden ist diese Perspektive aus dem "Black Feminism" und der "Critical Race Theory".

2.3.5 Interkulturelle Bildung    

Kritik ergibt ich mitunter an Konzepten interkultureller Bildung/Kompetenz, dass die Thematik "Rassismus" vernachlässigt wird. Dominanzverhältnisse würden zuginsten einer harmonisierenden Verständigungsstratgie ausgeblendet(vgl. die Auseinandersetzung in Großbritannien mit "Multicultural Education" und dem Gegenentwurf einer "Antiracist Education").

Es geht demnach um mehr als die individuelle Ebene der Vorurteile, vielmehr um den Abbau von strukturellem und institutionellem Rassismus(vgl. die Bemühungen um Weiterbildungsprogamme für die Mitarbeiterstäbe in Behörden und verschiedensten Berufsgruppen; dazu gehören die Bemühungen von "Diversity Management"; vgl. HORMEL-SCHERR 2004).

"Interkulturelle Kompetenz" hat diese Einwände aufgenommen. Die Reflexion von Fremdheitskonstruktionen und Dominanzverhältnissen in Theorie und Praxis muss durchaus weiterhin eingefordert werden.

In einer pluralen Gesellschaft mit zunehmenden Globalisierungstendenzen gehört "Interkulturelle Kompetenz" zu den Basisqualifikationen (vgl. IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Interkulturelle Kompetenz).

2.4 Pädagogische Professionalität    

Neben einer Reflexion der Notwendigkeit des mit migrationsgesellschaftlichen Herausforderungen ausgestatteten Bildungswesens ist die Anerkennung von Differenzen notwendig. Keinesfalls meint dies die Akzeptanz sozialer Ungleichheiten.

Professionalität bedeutet Achtsamkeit

Interkulturelle Kompetenz soll selbstverständlicher Bestandteil der in der Aus- und Weiterbildung sein.

Pädagogische Professionalität bedeutet ein Erreichen von "Anerkennungskompetenz" mit dem Wissen über Lebensbedingungen, Rassismen bzw. Diskriminierung, strukturellen und institutionellen Anerkennungsfaktoren und Ordnungen in einer Migrationsgesellschaft.

Politische Bildung mit den Teilbereichen Interkulturelle Kompetenz und Vorberufliche Bildung sowie seinem methodisch-didaktischen Repertoire hat ihre Begründung und den Bildungsauftrag(vgl. FISCHER 2006; STAUB 2007; ZEUNER 2007, 39-48; AUERNHEIMER 2013; SPRUNG 2011).

2.5 Sprachenerwerb    

Ein Sprachenerwerb findet innerhalb und außerhalb von Institutionen statt und lässt sich entsprechend nur teilweise steuern.

Unterschieden wird zwischen Erst-, Zweit- und Fremdsprachen.

Wechselseitig kann eine Sprache als Zeit- bzw. Fremdsprache ihre Funktion erfüllen, daher kann diese Sichtweise überflüssig sein(vgl. OKSAAR 2003).

Neben institutionellem Spracherwerb in Bildungseinrichtungen mirt Regulierungsmechanismen der Sprachdidaktik und Zertifizierens gibt es auch ein ungesteuertes Sprachlernen in der Lebensumgebung.

2.5.1 Sprachdidaktik    

Die Methodik und Didaktik kennzeichnet die Vorstellung, wie Sprache von Lernenden aufgenommen und behandelt werden soll.

Der behavioristische Ansatz geht davon aus, dass die innere Sprache ein exaktes Bild der äußeren Sprache sei, etwa wie die Lehrbuchgrammatik. Der nativistische Ansatz' nimmt die Existenz eines Sprachorgans an, das durch ausreichend komplexen Input eigenständig korrekt Strukturen erlernen kann.

In der aktuellen Methodendiskussion geht man von einer Lehre einer Sprache als "Konstruktion von Lernergebnissen" aus. Spracherwerb ist ein komplexer und subjektiver Prozess, jedenfalls mit der Möglichkeit einer Unterstützung(vgl. VIELAU 2003, 238-241).

Mehrsprachigkeit erfordert eine eigene Didaktik mit der Einbeziehung von Mehrsprachigkeit der Lernenden(vgl. BOECKMANN 2009, 2013). Auch für die Aus- und Weiterbildung von Lehrenden gilt dies. Jedenfalls bedarf es auch einer Auseiandersetzung mit der jeweiligen Mehrsprachigkeit und des individuellen Sprachbewusstseins.

2.5.2 Sprachbiographie    

Mehrsprachigkeit mit der Zielgruppe von Migrantinnen und Migranten bedarf einer Sprachbiographie. Dazu gehören die Lebenserfahrung, Sprachkontakte, Kursbesuche und Migrationserfahrung.

Vorgehende Lernerfahrungen als Aspekte einer Lernstrategie sind Ausgangspunkt von Sprachlern-Beratung.

Hilfreich sind sprachbiographische Instrumente wie "Sprachportraits"(vgl. KRUMM 2001), ebenso ein Sprach- und Qualifikationsportfolio.

Pädagogischer Hintergrund ist die Förderung des Mehrsprachenbewusstseins und eines sprachlichen Selbstkonzepts(vgl. KRUMM-REICH 2013).

Die Sprachkompetenz korreliert nicht mit der Dauer des Aufenthalts, vielmehr mit der Qualität ihrer Beziehungen, so etwa sozialen Beziehungen im Alltag und Beruf(Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen), kulturellen Aktivitäten, Bildungsmaßnahmen und Normen(vgl. GRINBERG-GRINBERG 1990).

2.5.3 Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen/GERS    

Diese europäische Initiative will durch einheitliche Sprachkompetenz-Beschreibungen einen Beitag zur Mobilität in einem zusammenwachsenden Europa leisten. Damit sollen die Kooperation zwsichen den Bildungseinrichtungen in den verschiedenen Ländern gefördert und die gegenseitige Anerkennung der Qualifikationen erleichtert werden. Lehrende und Lernende werden in ihren Bemühungen bei Lehrveranstaltunen und in der Bildungsverwaltung unterstützt(vgl. BAUSCH-CHRIST-KÖNIGS 2003).

Niveaustufen mit ihrer Beschreibung sind das Kernstück des GERS. Fünf Fertigkeiten mit dialogischem Sprechen, monologischem Sprechen, Hören, Lesen und Schreiben sowie sechs Niveaustufen mit den Bezeichnungen A1 bis C2 definieren fremdsprachliche Kompetenz.

2.5.4 Sprachprüfungen und Zertifikate    

Alös Nachweis von Sprachkompetenz dienen Sprachprüfungen, zumeist für berufliche Zwecke oder Zulassung für Bildungseinrichtungen. GERS strebt Transparenz und internationale Vergleichbarkeit an.

In Österreich wird durch die Einführung der Integrationsvereinbarung ein Teil der Migrantinnen und Migranten gezwungen, Sprachprüfungen abzulegen(vgl. http://www.integrationsfonds.at/iv/ > 2.4.2014).

3 Migrantentum in Österreich    

Wanderungsbewegungen haben Österreich zu einem Migrationsland gemacht. Zu- und Abwanderungsprozesse kennzeichnen die Situation.

Soziodemographische und sozioökonomische Merkmale der Zuwanderer und ihrer Nachkommen sind vielschichtig, damit auch die Herausforderungen. Im öffentlichen Diskurs wird dies wenig berücksichtigt.

Wenig Beachtung finden sprachpolitische Rahmenbedingungen der Mehrsprachigkeit.

Schul- und außerschulische Pädagogik reagiert seit rund 50 Jahren mit Konzepten und Projekten.

Nunmehr liegt ein differenziertes Spektrum an Theorien und Konzepten für Anknüpfungspunkte in den Bereichen "Politische Bildung" und "Interkulturelle Kompetenz" vor.

Einwanderung - Asyl - Zielland    

Als Folge des Zweiten Weltkriegs sah sich die Republik Österreich mit Flüchtlingen und Vertriebenen konfrontriert. Ein Jahr nach dem Staatsvertrag 1956 nahm das Land hunderttausende Flüchtlinge aus Ungarn auf. Mit den Veränderung in Osteuropa 1990 veränderte sich die Situation drastisch(vgl. WEIGL 2009, 23-47).

Österreich ist zum Einwanderungs-, Asyl- und Zielland kurzfristiger Arbeitsmigranten geworden. Einwanderer kommen aus verschiedenen Krisengebieten oder sind politische Flüchtlinge. Asylbewerber wollen im Land bleiben und teilweise am einheimischen Arbeitsmarkt partizipieren. Aus dem Ausland stämmige StaatsbürgerInnen? kommen zur Familienzusammenführung nach Österreich, um hier Fuß zu fassen.

Begrifflichkeit Migration    

Soziologisch beschreibt der Begriff Migration die Bewegung von Individuen oder Gruppen im geografischen oder sozialen Raum, die mit einem Wechsel des Wohnsitzes verbunden ist.(vgl. DUDEN 2001, 632). Einschlägige Theorien und Diskurse bezeichnen in der Regel grenzüberschreitende Wanderungsbewegungen. In Anlehnung an die Definition der UNO wird Migration als Verlegung des Lebensmittelpunkts klassifiziert über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr.

Neben der persönlichen Ebene kommt es zu Veränderungen im gesellschaftlichen Bereich(vgl. TRAPICHLER 1995, 5; TREIBEL 1999). Theorien zu transnationalen Migrationsprozessen verweisen auf komplexe neuartige Mobilitätsdynamiken, etwa zur Entstehung "transnationaler Sozialräume". Hier orientieren sich Personen nicht unbedingt an einem Herkunftskontext oder einem Zielland. Alltagspraktiken sind in Teilbereichen ortsunabhängig(vgl. TV-Sender per Satellit). Ludger PRIES(2008)spricht von grenzüberschreitenden transnationalen Sozialräumen in alltäglichen Lebenszusammenhängen.

Der Wechsel der Gesellschaftsgruppen bedingt eine Entfremdung von der Herkunftskultur mit sich. Heranwachsende befinden sich daher in einer Zwischenposition, bei der eine Anpassung an die Kultur des Einwanderungslandes noch nicht gegeben ist. Erfolgt die Migration in frühester Kindheit unter dem Einfluss der Familie und von Personen, die die Sozialisation im Aufenthaltsland des Kindes stark beeinflussen, befinden sich junge Einwanderer in einer bikulturellen Lebenssituation(vgl. DICHATSCHEK-MEIER-MEISTER 2005, 83-85; GAAR 1991, 13).

Tab. 1: Übersicht über die Arbeitsmigration in Österreich 1964-1990

1964Anwerbe- und Kontigentierungspolitik aus der Türkei
1966Anwerbe- und Kontigentierungspolitik aus Jugoslawien
1974220 000 ausländische Arbeitskräfte/vorläufiger Höchststand
1976Ausländerbeschäftigungsgesetz
1989/
1990
Einreise- und Einzugsregelungen auf Grund der hohen Zahl legaler Zuwanderungen(YU und TU)

Tab. 2: Soziologische Kategorisierung ausländischer Arbeitskräfte

Erste GenerationElterngeneration/Erwachsene mit Geburtsort im Ausland und - dauerhafte Niederlassung - ausländischer Staatsbürgerschaft
Zweite GenerationNachkommen der Einwanderer - in Österreich geboren oder im schulpflichtigen Alter eingewandert - dauerhafte Niederlassung
"in-beetween"-GenerationGruppe der Kinder und Heranwachsenden, die während der Schul- und Ausbildungszeit nach Österreich kamen - dauerhafte Niederlassung
Dritte GenerationKinder der älteren Jahrgänge der Zweiten Generation - teilweise Geburt in Österreich - dauerhafte Niederlassung

Rechtliche Kategorisierung

Nach der Volkszählung 2001 werden als Kriterien der Geburtsort, die Muttersprache und die Staatsbürgerschaft herangezogen.

Sozialstaatliche Maßnahmen und politische Mitbestimmung sind in Österreich an die Staatsbürgerschaft geknüpft und werden daher restriktiver als etwa in Frankreich oder Deutschland gehandhabt.

Kulturelle Vielfalt in Österreich/Zahlen-Daten-Fakten    

"Cultural diversity" verweist auf die kulturellen Unterschiede in einer globalisierten Welt, die sich seit der Mitte des 20 Jahrunderts immer deutlicher zeigt. Sozio-kulturelle Unterschiedlichkeiten werden unterschiedlich wahrgenommen.

Diversität wird heute in den "cultural studies" als Reichtum verstanden, der zu Austausch- und Dialogprozessen beiträgt, die bereichern und Entwicklungen vorantreiben können.

  Deutsch 99,4 

Englisch 68,5

Französisch 12,9

Italienisch 9,3

Türkisch 4,3

Serbisch 3,4

Kroatisch 3,3

Bosnisch 2,0

  Deutschland 213 000

Serbien - Montenegro - Kosovo 207 000

Türkei 183 000

Bosnien - Herzegovina 130 000

Kroatien 70 000

Rumänien 63 000

Polen 59 000

Quelle: DER STANDARD, 18., 19., 20. Mai 2013, "Kulturelle Vielfalt", 6-7

3.1 Schmelztiegel Wien: Geschichte und Zuwanderung    

vor ca. 7 000 JahrenAnsiedelung steinzeitliche Bauern im Wienerwald
EisenzeitIllyrer erreichten am Leopoldsberg einen Fürstensitz
400 v. Chr.Kelten errichten am Leopoldsberg eine Stadtburg
100Römer errichten Kastell Vindobona aus Stein mit Munizipium
3.-5. Jh.Völkerwanderung - Vernichtung des Kastells Vindobona
800Aus Ruinen entsteht eine neue Stadt - St. Ruprechtskirche
1156Heinrich II. Jasomirgott errichtet eine Residenzburg - Residenzstadt der Babenberger in den alten Stadtmauern > Erweiterung der Stadtmauern mit Hilfe des Lösegeldes von Richard Löwenherz/Stadtwappen und Stadtrecht - erste Eingemeindung von fünf Vorstädten
um 140020 000 Einwohner
um 1500Wien wird unter den Habsburgern Residenzstadt - Türkenbelagerungen 1529 und 1683
1630Neubau und Erweiterung der Festungsanlagen - Linienwall um die die Vorstädte
ab 1860Neuordnung der Stadt: Entfernen der Befestigungsanlagen-Ringstraßenbau > Umschichtung der Bevölkerung - 1890 Eingemeindung von 44 Vororten
1. WeltkriegZäsur in der Bevölkerungsentwicklung - Wien schrumpft von einer imperialen Residenzstadt der k.und k. Monarchie zur Bundeshauptstadt der Republik Österreich
1945 - 1955Besatzung der vier Alliierten - Wiederaufbau - Flüchtlingsströme als Folge des 2. Weltkrieges
1956Ungarnkrise - neuerliche Flüchtlingsströme
1960-1970Wirtschaftsaufschwung - Arbeitskräftemangel/"Gastarbeiter"
1979/80Dritte UNO-Metropole neben New York und Genf
1989-1995Fall des Eisernes Vorhangs - Balkankriege - EU-Beitritt Österreichs > Zuzug von Migranten/Flüchtlingen-Asylanten
GegenwartVerhandlungen um Osterweiterung - 2006: EU-Ratsvorsitz Österreichs
ZukunftWien als europäisches Zentrum nach einer Osterweiterung?

3.2 Migration nach Wien    

Der Wiener Raum hat in Österreich den höchsten Anteil an Migranten. Die demografische Entwicklung der letzten Jahrzehnte zeigt deutlich an, dass Migranten zu einem festen Bestandteil der österreichischen Wohnbevölkerung in Wien geworden sind. Die letzte Volkszählung 2001 zeigt 1 550 123 Personen mit Hauptwohnsitz in Wien an. Darunter befanden sich 248 264 ausländische Staatsangehörige, das sind 16 Prozent(vgl. WIENER INTEGRATIONSFONDS 2003, 6).

Tab. 3: Ausländische Wohnbevölkerung in Wien/Volkszählung 2001

Serbien und Montenegro68 796
Türkei39 119
Bosnien-Herzogowina21 638
Kroatien16 214

Betrachtet man die räumliche Verteilung der ausländischen Wohnbevölkerung in Wien nach Bezirken, leben mit 24 820 Personen in Favoriten die meisten ausländischen Staatsbürger, gefolgt von Leopoldstadt mit 22 492 und Ottakring mit 20 508 ausländischen Staatsangehörigen, wobei in sieben Wiener Bezirken der ausländische Anteil bei mehr als 20 Prozent liegt. Spitzenreiter ist Rudolfsheim-Fünfhaus mit 29,2 Prozent(vgl. WIENER INTEGRATIONSFONDS 2003, 11).

Waren vor allem zu Beginn der Arbeitsmigration Männer im erwerbsfähigen Alter aus dem früheren Jugoslawien und der Türkei daran beteiligt, stieg in den letzten Jahren kontinuierlich der Frauenanteil. Bei der Volkszählung 2001 waren rund 47 Prozent zu verzeichnen, der Männeranteil betrug rund 53 Prozent. Deutliche Unterschiede gibt es bei den Frauen zwischen den einzelnen Migranteninnengruppen: Türkei 42,8 Prozent, früheres Jugoslawien 47,5 Prozent, Slowakei 59,2 Prozent und Tschechei 59,9 Prozent(vgl. WIENER INTEGRATIONSFONDS 2003, 10).

Mehr als 40 Prozent der Ausländer sind jünger als 30 Jahre gegenüber rund 30 Prozent der inländischen Bevölkerung. Dies ist deswegen wichtig, weil sich deutlich abzeichnet, dass in den Jahren 1990 - 2001 der prozentuelle Anteil ausländischer Jugendlicher an der ausländischen Wohnbevölkerung in Wien größer ist als der Anteil inländischer Jugendlicher derselben Altersgruppe, gemessen an der inländischen Wohnbevölkerung.

Tab. 4: Alterstruktur der in- und ausländischen Wohnbevölkerung von 1990-2001

Jahr16-19jährige AusländerInnen?Prozent16-19jährige InländerInnen?Prozent
199052 8583,912 4296,0
199850 1933,811 3724,0
199950 5423,811 2323,9
200050 3763,811 3693,9
200150 3133,911 0084,4

Quelle: Wiener Integrationsfonds 2003, 40

Rund 70 Prozent der zehn- bis vierzehnjährigen ausländischen Schülerinnen und Schüler besuchen eine Hauptschule in Wien, im Schuljahr 2001/02 waren dies rund 14 390(vgl. bm:bwk: SchülerInnen mit anderer Erstsprache als Deutsch - Statistische Übersicht Schuljahre 1995/96 - 2001/02 - Informationsblätter des Referates für interkulturelles Lernen Nr. 2/2003, 14).

Fehlende Sprachkenntnis der Eltern verhindert einmal eine schulische Förderung und somit den Zugang zur allgemein bildenden höheren Schule(AHS), zum anderen tendieren Migrantenfamilien zur Befürchtung, ihre Kinder könnten dem schulischen Druck der AHS-Unterstufe nicht gewachsen sein(vgl. LEHNERT-SCANFERLA 2001, 19).

Tab. 5: Anteil der ausländischen SchülerInnen an allen Schülern/Wien

SchuljahrHauptschule(HS)AHS-UnterstufePolytechnische Schule(PTS)
1997/9830,1 %9,6 %30,3 %
1999/0030,9 %9,5 %30,1 %
2001/0229,1 %9,2 %33,2 %

Quelle: Wiener Integrationsfonds 2003, 47

3.3 Migration nach Österreich - Berühmte Österreicher mit Migrationshintergrund    

Folgt man MAGENSCHAB(2008), so hat Altösterreich das verwirklicht, was die EU erst zu Stande bringen will. Von Jahrzehnt zu Jahrzehnt bekennen sich mehr Österreicher zur "österreichischen Nation", während die publizierte Meinung den Eindruck erweckt, als drohe dem Land eine Überfremdung und damit eine Art "Entösterreicherung". Derzeit haben rund 16 Prozent der Österreicher und 31 Prozent der Wiener eine Migrationsgeschichte, d.h. sie kamen außerhalb des heutigen Österreichs zur Welt oder haben Ausländer als Eltern.

Bedenkt man die Entwicklung nach 1945, so kamen rund 400 000 Sudeten- und Volksdeutsche aus der Tschechoslowakei und dem Donauraum, im Zuge der Revolten gegen kommunistische Regime in Osteuropa suchten rund 100 000 Personen um die Staatsbürgerschaft an und schließlich blieben über 100 000 Betroffene der Balkankriege der neunziger Jahre in Österreich.


Folgt man der Relation zur Donaumonarchie mit rund 51 Millionen Einwohnern, zwölf Sprachen und sechs Religionen, so erkennt man das Großraumverständnis Altösterreichs, wo das Wandern von Kronland zu Kronland ein Spezifikum war, zumeist als Folge von Politik.

Im 16. und 19. Jahrhundert retteten sich hunderttausende Kroaten und Serben vor der Türkenherrschaft über die "Militärgrenze", ihre Nachfahren siedelten noch heute im Burgenland. Nach dem Toleranzpatent Josephs II. 1781 wanderten aus Angst vor Progromen viele Juden aus dem zaristischen Russland in das tolerantere Österreich aus.

Prag war in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts eine mehrheitlich deutschsprachige Stadt, Wien vor 1914 dagegen die größte tschechische Stadt der Welt. Dies ließ bei der so durchgemischten Gesellschaft - Wien war ein Schmelztiegel in der Donaumonarchie - ein österreichisches "Wir-Gefühl" aufkommen, das nicht selten zum überzogenen Patriotismus neigte.


Von Interesse sind die Wurzeln weltweit prominenter Österreicher. Beispielhaft anzuführen sind Sigmund Freuds Vater Jakob Freud, der aus dem galizischen Dorf Tysmienica stammte und 1844 nach Probor in Mähren wanderte. Dort kam Sohn Sigmund 1856 zur Welt, bevor die Großfamilie nach Wien übersiedelte.

Ein ähnliches Schicksal machte das ungarische Judenkind Ignaz Semmelweis und ließ es zu einem Wiener Medizinstudenten werden.

Theodor Herzl, in Pest geborener Kaufmannssohn, wurde Redakteur der Wiener "Neuen Freien Presse", wo er die Weltbewegung des Zionismus begründete.

Ludwig van Beethoven und Johannes Brahms wurden österreichische Staatsbürger, als sie sich in Wien dauerhaft niederließen.

Gustav Mahler wurde im böhmsichen Kalischt geboren, ging in Jihlava zur Schule und besuchte anschließend in Wien das Konservatorium.

Franz von Suppés Vater kam aus Belgien und ließ sich im Kronland Dalmatien nieder. In Split wurde er geboren und von dort ging er nach dem Tode des Vaters nach Wien.

Franz Lehar war der Sohn eines Militärkapellmeisters aus dem ungarisch-slowakischen Komorn.

Emmerich Kalman, der die Huldigung an die Wiener Frauen in Noten zu Papier brachte("Grüß mir die süßen, die reizenden Frauen im schönen Wien"), studierte Rechtswissenschaft in Budapest und wurde als 26jähriger in Wien ansässig.

Johann Strauß Vater war der Sohn Johann Michael Strauß aus dem ungarischen Obuda, wodurch Johann Sohn, Eduard und Josef Strauß typische Angehörige der Integrationsgeneration waren. Es gibt kaum etwas Österreichischeres als den Radetzkymarsch von Johann Strauß Vater und den Donauwalzer von Johann Strauß Sohn.

Auch die erfolgreichsten Offiziere der Monarchie hatten ihre Migrationsgeschichte. Feldmarschall Johann Josef Wenzel Radetzky von Radetz wurde in Trebnic in Böhmen geboren. Das Theresianum ließ ihn in Wien Wurzeln schlagen.

Prinz Eugen von Savoyen-Carignan wurde 1663 in Paris geboren und emigrierte 20jährig mit einigen Dukaten nach Österreich, als ihn der französische König als Offizier wegen körperlicher Behinderungen ablehnte. Bis zu seinem Tode hatte er als echter Immigrant Probleme mit der deutschen Sprache.

Svetozar Boroevic von Bojna als "Löwe vom Isonzo" bekannt, der nach 1915 in zwölf Isonzoschlachten den Zusammemnbruch der österreichischen Front verhinderte und zuletzt bis fast nach Venedig vorstieß, wurde in Kostajanica in heutigen Kroatien geboren.

Unter Boroevic diente als Offizier der 1873 im ungarischen Uj Szönyi geborene spätere Bundespräsident Theodor Körner.

Der Republikgründer und erste Bundespräsident der Zweiten Republik Karl Renner wurde im mährischen Dojni Dunajovice geboren, Bundespräsident Adolf Schärf im nahen Mikolov.

Der historische österreichische "Kasperl" ist eine Erfindung von Johann La Roche, der 1745 in der heutigen Slowakei zur Welt kam.

Der "Zauberflöten"-Erfinder Emanuel Schikaneder stammt aus Straubing/Bayern, der Prater-Pionier Basilio Calafati aus Triest, die Volksschauspielerin Theresa Krones aus dem schlesischen Bruntal. Alexander Giradis Verwandtschaft kommt aus Cortina d' Ampezzo.

Der durch Film und Theater bekannte Hans Moser heißt laut Geburtenregister Jean Juliet.

Österreichs Bundeshymne wurde schließlich von Paula von Preradovic, einer Enkelin des kroatischen Dichters Petar Preradovic, 1947 getextet. Ihre Söhne Fritz Molden - einer der wichtigsten Verleger Österreichs - und Otto Molden - Begründer des "Forums Alpbach" - waren Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus.

3.4 Christliche Migrationsgemeinschaften    

Ein Blick auf christliche Migrationsgemeinschaften zeigt auch die religiöse Vielfalt. In Wien gibt es rund 30 fremdsprachige katholische Gemeinden, sowohl aus dem europäischen als auch aus dem afro-asiatischen und lateinamerikanischen Raum, zumeist auch von Priestern aus den jeweiligen Ländern betreut. Dazu gehören auch die Gemeinden aus den mit Rom unierten Ostkirchen. Ebenso bilden die byzantisch- oder orientalisch-orthodoxen Gläubigen - etwa Serben, Russen, Kopten, Syrer und Äthiopier - eigene Gemeinden(vgl. VOCELKA 2013, 37-161).

Nach Artikel 25 der Kirchenverfassung der Evangelischen Kirche in Österreich i.d.g.F. gibt es die Möglichkeit, dass "für Evangelische, die aus einer ausländischen Kirche kommen und sich zu einer Gemeinde ihrer Nationalität bzw. Volksgruppe zusammenschließen", der Evangelische Oberkirchenrat A. und H.B. mit Zustimmung der Synodalausschüsse Sonderregelungen treffen kann. Durch diese von der Synode beschlossenen Regelung kommt es zur Bildung von "Personalgemeinden" mit einem jeweils spezifischen Profil. Beispielhaft anzuführen sind in Salzburg die Koreanisch-Evangelische Gemeinde und die Salzburg International Christian Church/SICC sowie in Wien die Finnische Evangelische Gemeinde A.B., die Schwedische Evangelische Gemeinde A.B., die Ungarische Evangelische Gemeinde A.B., die Ghanaische Evangelische Personalgemeinde, die Japanische Evangelische Gemeinde, The Vienna Community Church und die Evangelisch-Taiwanesische Gemeinde(vgl. AMT und GEMEINDE 7/8 2007, 126-141). Am Ende des Jahres 2007 wurde die Afrikaanssprachige Evangelische Gemeinde in Wien anerkannt(vgl. AMTSBLATT DER EVANGELISCHEN KIRCHE IN ÖSTERREICH, 12. Stück v. 21. Dezember 2007, 174-175).

Daneben gibt es eine Vielzahl von indigenen Gemeinschaften, die vorwiegend der pfingstlich-charismatischen Frömmigkeit zuzuordnen sind. Die meisten der afrikanischen Christen kommen aus Nigeria. Aus dem asiatischen Raum sind weniger Gemeinden bekannt, ebenso gibt es noch eine Vielzahl an kleinen fremdsprachigen Freikirchen der verschiedenen Volksgruppen. Eine genaue Zahl kann nicht genannt werden, da es sich oft nur um Gebetskreise handelt. Der Schwerpunkt dieser indigenen Gemeinden liegt in Wien. Einige freikirchliche Gemeinden in Wien sind im "Vienna Christian Center" beheimatet. Dieses pfingstlerisch-charismatische Zentrum wurde von den "Assemblies of God"/USA gegründet und ist der internationale Zweig der staatlich eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaft "Freie Christengemeinde/Pfingstgemeinde". Gottesdienste werden in verschiedenen Sprachen angeboten, ebenso gibt es etwa palästinensische, äthiopische, chinesische, philippinische und franko-afrikanische Bibelkreise(vgl. HEMPELMANN 2006, 73).

3.5 Buchbesprechung    

Uwe Rieske (Hrsg.)

Migration und Konfession - Konfessionelle Identitäten in der Flüchtlingsbewegung nach 1945

Tagungsband der Historischen Kommission des deutschen Nationalkomitees des Lutherischen Weltbundes (DNK/LWB), Gütersloher Verlagshaus 2010, 361 Seiten


Unter dem Titel "Migration und Konfession - Konfessionelle Identitäten in der Flüchtlingsbewegung nach 1945" gibt es seit Dezember 2010 eine Dokumentation einer Tagung vom Herbst 2008 in der Evangelischen Heimvolksschule Loccum der Historischen Kommission des DNK/LWB, in der man sich mit den konfessionellen Prozessen und Verschiebungen nach 1945 auseinandersetzte, die die Fluchtbewegungen seit Kriegsende in den westdeutschen Landeskirchen und Österreich auslösten (vgl. DICHATSCHEK 2011, 9).

Die konfessionelle Landschaft in Deutschland und Österreich geriet so stark in Bewegung wie seit der Reformation und dem Dreißigjährigen Krieg nicht mehr. Die Eingliederung von zwölf Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen aus deutschsprachigen Siedlungsgebieten in Ost- und Südosteuropa in die alliierten Besatzungszonen hat die Evangelischen Kirchen in Deutschland und Österreich vor bislang unbekannte Aufgaben gestellt. Die damit verbundenen Probleme, Chancen und Veränderungen hatten nicht nur politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung. Auch die konfessionellen Veränderungen, die mit der Einwanderung begannen, verdienen eine historische Aufarbeitung, heißt es im Vorwort(S.7).

Von besonderem Interesse für den österreichischen Leser ist Rudolf Leebs Beitrag zu den Auswirkungen der Migration nach 1945 und den Folgen für die Evangelische Kirche in Österreich(S. 167 - 201; vgl. dazu die Veranstaltung der Evangelischen Akademie Wien, 24. - 25.2.2011 "Evangelische Identitäten nach 1945 - Was heißt, nach 1945 evangelisch zu sein?"). Bislang fehlte dazu eine Studie, die nunmehr mit Quellen von Pilotstudien, Selbstdarstellungen, Archivmaterial des Evangelischen Oberkirchenrates und Zeitschriftenmaterial der Evangelischen Flüchtlingshilfe einen guten Überblick im Rahmen des Bandes ergibt. "Bei der Evangelischen Kirche in Österreich im Jahre 1945 handelte es sich also um eine Kirche, die im Laufe ihrer jüngeren Vergangenheit ständig damit konfrontiert gewesen war, neu Hinzugekommene in großer Zahl zu integrieren. Demtentsprechend viele evangelische Milieus gab es damals auch in dieser Kirche......Denn unter den Flüchtlingen und Heimatvertriebenen belief sich der Anteil der Protestanten auf über 20%. Nach statistischen Angaben der Kirche waren von den etwas über 300 000 in Österreich verbliebenen Flüchtlingen 60 000 evangelisch. Diese kamen nun zu den 330 000 Seelen dazu. Allein ein Drittel von ihnen waren Siebenbürger Sachsen, der Rest rekrutierte sich vor allem aus evangelischen Donauschwaben, Karpatendeutschen, Sudetendeutschen und zu kleinen Teilen aus Deutschen aus der Bukowina......Im Jahre 1951 verzeichnete die Kirche einen Seelenstand von 429 000, der dann bis 1961 auf 417 000 sank, was zum Teil auch auf die Abwanderung der Flüchtlinge von 1951 bis 1961 zurückzuführen ist"(S. 172-173).

Auch wenn evangelische Migranten an den äußeren Größenverhältnissen wenig verändert haben, so war ihr Einfluss auf die Evangelische Kirche im Inneren erheblich. Sie haben vielen Gemeinden und der Gesamtkirche "Rückgrat und echte Substanz in Frömmigkeit und Engagement im Gemeindeleben gegeben". Dies gilt vor allem in den Diasporagemeinden(S. 200). Die Nachkommen der Heimatvertriebenen stellen einen hohen Anteil an Pfarrern, Theologen und aktiven Laien(S. 201).

3.6 Islam    

Im Folgenden wird das Modell Österreich und islamische Erziehung nach dem Koran referiert.

3.6.1 Modell Österreich    

Innerhalb Europas stellt die Behandlung des Islam in Österreich eine Besonderheit dar. Schon 1912 wurde - im Zuge der Besetzung des Großteils von Muslimen bewohnten Bosnien-Herzogowina 1908 durch die Donaumonarchie - ein eigenes Islamgesetz zur Absicherung des rechtlichen Status von Muslimen hanefitischen Ritus erlassen. 1979 konstituierte sich die "Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich" als Körperschaft öffentlichen Rechts. 1989 erfolgte die Anerkennung auch für die sunnitischen und schiitischen Rechtsschulen durch den Obersten Gerichtshof. "Der Islam präsentiert sich nicht einheitlich, da es Muslime gibt, die die IGGiÖ? nicht als Vertretung des Islams anerkennen, da es sich bei ihr um eine Einrichtung aufgrund staatlicher( = nichtmuslimischer)Gesetze handelt"(HEMPELMANN 2006, 74).

Unter den Bundesländern weist Vorarlberg mit 8,4 Prozent den höchsten islamischen Bevölkerungsanteil auf, vor Wien mit 7,8 Prozent. Dort ist der Islam zweitstärkste Religionsgemeinschaft, vor den orthodoxen und den evangelischen Christen.

In Österreich gibt es über 150 Moscheen und Gebetsstätten. Diese sind meist nach Herkunftsländern unterschieden und als "Kulturvereine" organisiert. Auf Grund der staatlichen Anerkennung werden auch islamische Bildungseinrichtungen mit konfessionellem Status und Öffentlichkeitsrecht geführt, in Wien etwa mehrere Kindergärten, Volksschulen und ein Realgymnasium. In Salzburg gibt es zwei Schulen, je ein Internat mit Koranschule für Buben und eines für Mädchen aus der Türkei(Stand 2006).

Mit der Diskussion um die Aufnahme der Türkei in die EU ist der Islam in Österreich öffentlich in das Interesse gerückt. Überdeckt wurde die Diskussion über die Religion von einer ausländerkritischen Haltung eines Teils der Bevölkerung. Die Muslime in Österreich bilden teilweise größere gesellschafliche Ansammlungen in Wohngebieten und verhalten sich großteils unauffällig(vgl. FASSMANN-STACHER 2003, 218-219 und 223/Tab. 2). Eine "Kopftuch"-Diskussion hat nie größere Ausmaße angenommen, es gibt auf Grund der gesetzlichen Lage keine Verbote.


Bezeichnend ist die häufige Unwissenheit über den Islam bzw. Koran auf Seiten der Nichtmuslime, während auf Seiten der meisten Muslime ein Desinteresse am Kennenlernen der Religion und Weltanschauung der österreichischen Wohnbevölkerung vorherrscht.

3.6.2 Islamische Erziehung nach dem Koran    

"Religiöse Erziehung war immer ein wichtiges Anliegen der Menschheit. Die Religionsstifter erhoben den Anspruch zu wissen, wie Menschen zu erziehen seien, damit sie den Willen Gottes verstehen bzw. ein glückliches und vor allem geordnetes Leben führen"(ASLAN 2009, 325).

Islamische Erziehung erhebt den Anspruch, den Menschen zu Gehorsam gegenüber Gott zu erziehen. In diesem Konzept gilt der Prophet als der erste erzogene Mensch. der Koran hebt die Vorbildrolle des Propheten als ein Zeichen der Gnade Gottes für die Menschen hervor(Koran 33:21). Dass der Mensch mit seinen Eigenschaften den Willen Gottes und des Propheten nicht entsprach, machte (islamische)Erziehung erforderlich.

Zur Zeit des Propheten sprach der Koran die gelebte Wirklichkeit mit einer gesprochenen und lebendigen Sprache an. Nach dem Ableben des Propheten war es eine schwierige Aufgabe, den Koran in einem anderen sprachlichen und kulturellen Zusammenhang zu verstehen und zu deuten.

Der Koran wurde in der Folge damit zum Lerngegenstand.

Leben lernen war von Anfang an das Ziel der islamischen Erziehung, d.h. im Zentrum stehen das Leben und seine Wirklichkeit. Im Zentrum religiösen Handelns standen soziale Gerechtigkeit, universelle ethische Werte und die Gleichwertigkeit des Menschen. "Die Verengung des Islam auf eine Religion des Gesetzes ist eine späte Entwicklung, die aus dem lebensnahen Gott ein unnahbares Machtzentrum machte"(vgl. ASLAN 2009, 328).

Religion und gesellschaftliche Phänomene wurden in der Folge immer komplexer, das Vorbild von Muhammad schwand und das theologische Verständnis der Gelehrten bekam zunehmend Bedeutung. Religiöse Bildung und Erziehung gewannen immer mehr an Bedeutung.

In einer ersten Phase der institutionalisierten Erziehung im Islam bekamen die Moscheen mit der Erziehung in der Lehre und einer persönlichen Erfahrung in der Gemeinde einen Erziehungs- und Bildungsauftrag. Gleichzeitig waren die Moscheen auch Orte des gesellschaftlichen Dialogs, der nicht nur unter Muslimen stattfand, sondern intensiv mit anderen Gläubigen wie Christen und Juden gepflegt wurde. "Christen durften sogar in seiner Moschee nach ihren Ritualen beten"(ASLAN 2009, 329).

Mit dem Entstehen islamischer Fachwissenschaften wurden in den Moscheen auch Medizin und Astronomie unterrichtet. "Aus einer lebensorientierten Gebetsstätte ist ein Ort der Wissenschaft entstanden.......Es entstanden immer wieder neue Wissenschaften, die Lehre gewann mehr Bedeutung als die Religion selbst"(ASLAN 2009, 330). In der Folge kam es zur Notwendigkeit, professionelle Institutionen zur Verbreitung von Wissenschaften einzurichten.

Damit kam es zur Entstehung der Madrasa. Ihre Qualität und Freiheit in der Lehre hing sehr stark von der politischen und wissenschaftlichen Gesinnung der Herrschenden ab(vgl. KRÄMER 2005, 162-164). Ab dem 11. Jahrhundert verloren die Madrasen nach und nach ihre wissenschaftliche Dynamik.

Ab dem 17. Jahrhundert setzte sich die Einsicht durch, dass die Wissenschaft in den islamischen Ländern hinter den wissenschaftlichen Entwicklungen des sogenannten Westens auf Grund politisch-korrupter Interessen zurückblieb. Mit der Infragestellen des Nutzens von (Natur-)Wissenschaften im Jenseits und der laufenden Diskussion geht es nicht um eine Säkularisierung von Wissenschaften, vielmehr um die Selektierung der Wissenschaften durch die Pflichtwissenschaft. Diese "Islamisierung" bis heute hat ihren Ursprung in dieser Tradition. Pardoxerweise führte der Niedergang islamischer Wissenschaften aus einem Anfang muslimischer Erneuerung(vgl. ASLAN 2009, 331-332). Auch die Erweiterung der religiösen Fächer um Astronomie, Mathematik und Philosophie unter dem Osmanischen Reich reichte nicht aus, die Madrasen zu reformieren. Unter Sultan Mahmut II. wurden westlich orientierte Schulen eröffnet, mit der Gründung der Türkischen Republik 1923 wurden die Madrasen staatlich verboten. Außerhalb des Osmanischen Reiches blieb den Madrasen als Wissenschaftsauftrag nur die Lehre der klassischen Theololgie.

In der Folge kam es zur Säkularisierung des Bildungsbegriffs. Aus dieser Diskussion entstanden zwei Schulen, die klassisch-traditionelle - die sich gegen Reformen wehrt - und die westlich-orientierte mit säkularisierten Bildungseinrichtungen, die der Religion keine besondere Rolle beimessen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden westliche Bildungseinrichtungen geschaffen, allein nach 1948 mehr als 60 Universitäten in den arabischen Ländern gegründet. In der Türkei und Indonesien wurden beispielsweise Schulsysteme modernisiert. In der Türkei wurde etwa die religiöse Erziehung dem Staat zugewiesen, allerdings liegt in der islamischen Welt eine theologische Verinnerlichung demokratischer Werte noch in weiter Ferne(vgl. ASLAN 2009, 335).


Bei der Volkszählung 2001 gab es in der österreichischen Gesamtbevölkerung mit 8 032 926 Einwohnern einen Ausländeranteil von 710 926 Personen. 242 936 Personen gaben als religiöses Bekenntnis den Islam an, die beiden größten christlichen Gruppen waren die römisch-katholische Kirche und die Ostkirchen.

3.7 Österreich    

In Österreich gilt mit Stand 2006 das "Fremdengesetz" mit Regelungen der Quoten des jährlichen Zuzugs von Menschen aus dem Ausland, des rechtlichen Status und der Niederlassung(vgl. taz v. 24. Juli 2006, 10: "Integration geglückt - einen Pass gibt es nicht"). In den klassischen Einwanderungsländern Nordamerikas und in Australien dagegen gelten Einwanderungsgesetze mit Regelungen der Einreise, des Aufenthaltes und der Niederlassung von Ausländern.

Wien hat eine lange Tradition des Zuzugs von Ausländern. 1900 zählte die Stadt Wien 1 674 957 Einwohner, 46,4 Prozent oder 777 195 Personen waren in Wien geboren. 26,2 Prozent oder 438 695 Personen kamen aus Böhmen, Mähren oder Schlesien. Aus Ungarn und Bosnien stammten nochmals 130 000 Menschen.


Wer von einem "melting pot" spricht, sollte in diesem Zusammenhang an Wien und weniger an New York denken.
Die Anzahl der Ausländer stieg kontinuierlich. 1981 kamen auf 7 555 000 Einwohner Österreichs 291 000 ausländische Staatsangehörige, 1991 auf 7 796 000 Einwohner Österreichs 518 000 ausländische Staatsbürger, 2001 auf 8 032 926 Österreicher 710 926 ausländische Staatsbürger.

Nimmt man die statistischen Angaben der letzten Volkszählung 2001 des Magistrats der Stadt Wien als Grundlage, dann sind im Sinne der Staatsbürgerschaft 15,7 Prozent der Wiener Bevölkerung Ausländer. Nach Berechnung der Arbeiterkammer Wien/AK Wien sind gegenwärtig ca. 370 000 Bewohner außerhalb von Österreich - mit Einschluss der österreichischen Staatsbürgerschaft - geboren. Der Anteil an der Gesamtbevölkerung Wiens - 2001 1 547 278 mit Hauptwohnsitz - beträgt demnach etwas weniger als 25 Prozent. Jedes dritte Mitglied der Wiener Arbeiterkammer habe einen "migrantischen Hintergrund" aus den letzten 40 Jahren(vgl. BAUBÖCK-PERCHINIG 2006, 738; DICHATSCHEK 2004, 99-100).

Das folgende Zahlenmaterial bezieht sich auf das 1. Quartal 2008 und stammt aus der Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung der Statistik Austria(vgl. http://www.statistik.at/web_de/dynamic/Statistiken/bevoelkerung/032181). 1 426 700 Personen in Österreich haben einen Migrationshintergrund, definiert als der Geburtsort ihrer Eltern, der im Ausland lag. In drei von vier Fällen sind die Personen selbst irgendwann nach Österreich zugewandert, sie selbst sind aber in Österreich zur Welt gekommen(Zuwanderer der 1. Generation). Bei 352 000 Personen sind beide Elternteile aus dem Ausland zugewandert, sie selbst sind aber in Österreich geboren worden(Migrantinnen und Migranten der 2. Generation). Nahezu die Hälfte der Personen mit Migrantenhintergrund(46 Prozent bzw. 653 000) besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft.

Mehrheitlich kommen die Zuwanderer der 1. Generation aus Ländern außerhalb der EU(702 000, 65 Prozent). Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien bilden dabei die größte Gruppe(349 000), gefolgt von Personen aus der Türkei(162 000). Aus dem EU-Raum zugewanderte Personen(373 000)kommen vorwiegend aus Deutschland(126 000)und aus Polen(56 000). Bei den Zuwanderern aus der 2. Generation zeigt sich ein ähnliches Bild. Die Eltern dieser Personengruppe stammen mehrheitlich aus dem ehemaligen Jugoslawien(134 000)oder aus der Türkei(89 000). Nahezu die Hälfte der Personen mit Migrationshintergrund(46 Prozent bzw. 653 000 Personen) besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft. 18 Prozent haben jene eines EU-Landes und 36 Prozent haben den Pass eines Landes ausserhalb der EU. 20 Prozent der Personengruppe mit Migrationshintergrund sind Bürgerinnen und Bürger eines Staates des ehemaligen Jugoslawiens(ohne Slowenien) und 7 Prozent sind türkische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger.

Das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Frauen und Männern unterschiedet sich bei Personen mit bzw. ohne Migrationshintergrund kaum. Was das Alter betrifft, sind die in Österreich lebenden Personen mit Migrationshintergrund im Durchschnitt um nahezu fünf Jahre jünger als Menschen ohne Migrationshintergrund(36,8 bzw. 41,4 Jahre).

Die absolut und relativ meisten Menschen mit Migrationshintergrund leben in Wien. Etwas mehr als ein Drittel der Wienerinnen und Wiener zählen zu dieser Gruppe(36 Prozent). Es folgt Vorarlberg mit 21 Prozent, Salzburg mit 18 Prozent, Tirol mit 16 Prozent, Oberösterreich mit 14 Prozent und Niederösterreich mit 12 Prozent. Sehr niedrig ist der Anteil in der Steiermark und in Kärnten mit jeweils 9 Prozent, am niedrigsten im Burgenland mit 8 Prozent.


IT-Hinweis: "Drei Szenarien zur Migration" > http://orf.at/stories/2193160/2193128/ > 1.8.2013

3.8 Sprachpolitik und Sprachprobleme    

Im Jahre 1961 betrug der Prozentsatz ausländischer Arbeitskräfte in Österreich noch 0,5 Prozent, zehn Jahre später waren es 6,0 Prozent, 1981 6,1 Prozent, 1991 8,9 Prozent und 2002 10,6 Prozent(vgl. ÖSTERREICHISCHES FORUM FÜR MIGRATIONSSTUDIEN 2003). Mit den Arbeitskräften kamen die Familien mit, damit schulpflichtige Kinder. Sprachpolitische Regelungen gab es keine, das Ausländerbeschäftigungsgesetz 1975 hatte dazu keine Vorschriften.

In der österreichischen Schule wies sich dies jedoch als ein dringendes Spachproblem. Mitte der 70ger Jahre waren in der allgemein bildnenden Pflichtschule(APS) rund 1,5 Prozent, in den 90ger Jahren bereits ca. 10 Prozent ausländische Schüler. Unterrichtete man zunächst zögernd die Sprachen der Migrantenkinder als Vorbereitung auf eine Re-Integragtion in den Herkunftsländern, kam es ab der Mitte der 70ger Jahre zu Vereinbarungen zwischen Österreich, dem ehemaligen Jugoslawien und der Türkei im Rahmen von Schulversuchen für einen "muttersprachlichen Zusatzunterricht" in der APS, wobei die Herkunftsländer Lehrkräfte schickten. Als sich die Arbeitsmigration als dauerhaftes Phänomen herausstellte, kam es 1992 zu der im wesentlich heutigen Regelung, bei der der freiwillige muttersprachliche Unterricht in die Kompetenz der österreichischen Schulbehörde überging.

"Betrug der Prozentsatz der SprecherInnen? von Sprachen aus dem ehemaligen Jugoslawien 1991 noch ca. 2,5%, so erreichen im Jahre 2001 Bosnisch, Kroatisch, Serbisch und Mazedonisch 4,43%(348 629 Personen), die Sprachen der Türkei(Türkisch, Kurdisch) 2,31%(185 578 Personen). Dass die Prozentsätze bei den österreichischen StaatsbürgerInnen? wesentlich geringer sind(0,99 bzw. 0, 84%), weist einerseits auf das besonders restriktive Staatsbürgerschaftsrecht in Österreich hin, andererseits vielleicht auch darauf, dass mit der Annahme der Staatsbürgerschaft ein individueller Sprachwechsel vollzogen wird. Neben diesen beiden Spachgruppen spielen noch Zuwanderer aus Polen(30 598), Albanien(28 212) und Rumänien((16 885) eine gewisse Rolle und an außereuropäischen Zuwandern die Arabischsprachigen(17 592), Persischsprachigen(10 665) und Chinesischsprachigen(9 960)"(DE CILLIA-WODAK 2006, 54).

Zahlenmäßig stark sind die schulischen Zuwanderungsgruppen("SchülerInnen mit einer anderen Muttersprache als Deutsch"). Im Schuljahr 2002/2003 besuchten ca. 15 Prozent(103 877 SchülerInnen) die APS: in Wien 43 Prozent und Vorarlberg 17,6 Prozent. Am niedrigsten ist der Prozentsatz in der Steiermark und Kärnten(7 bzw. 7,1 Prozent). Im Schuljahr 2004/2005 wurden an der APS Albanisch, Arabisch, Bulgarisch, Chinesisch, Persisch, Polnisch, Portugiesisch, Romanes, Serbokroatisch(Bosnisch/Kroatisch/Serbisch), Russisch, Slowakisch, Spanisch, Türkisch und Ungarisch angeboten(vgl. BMBWK: Der muttersprachliche Unterricht in Österreich. Statistische Auswertung für das Schuljahr 2004/2005, Wien 2005).

Die Verteilung nach Schularten zeigt die Bildungsbe(nach)teiligung der Migrantenkinder:

Tab. 6: SchülerInnen mit einer anderen Muttersprache als Deutsch 2002/2003/bis zu 6 Schulbesuchsjahren

 ÖsterreichWien
Volksschule16,4%40,9%
Hauptschule13,1%47,0%
Sonderschule22,0%36,5%
Polytechnische Schule15,3%51,6%
AHS-Unterstufe9,1%19,2%
AHS-Oberstufe8,6%19,3%
Berufsschulen6,2%16,7%
BMS12,5%35,5%
BHS7,7%19,7%
Lehrerbildende Schulen2,3%4,1%

AHS - allgemein bildende höhere Schulen
BMS - berufsbildende mittlere Schulen
BHS - berufsbildende höhere Schulen

Quelle: BMBWK * BPS 2001/2002; mod. nach de Cillia-Wodak 2006, 55

Derzeit gibt es weder gesetzliche Regelungen, die sprachliche Rechte vor Ämtern garantieren. Mit Ausnahme von Schulen exisitiert keine Sprachpolitik, ebenso besteht keine nennenswerte Förderung der kulturellen Identität. Eingebürgerte MigrantenInnen?, die eine anerkannte Minderheitensprache sprechen(Slowenisch, Kroatisch, Ungarisch, Tschechisch, Slowakisch und Romani), besitzen sprachliche Rechte und Fördermaßnahmen.

An Schulen existieren derzeit drei Maßnahmen für die Förderung einer anderen Erstsprache als Deutsch:

Als interessante Maßnahme, außerhalb des Kindergartens Sprachförderung für Migrantenkinder mit ihren Eltern anzubieten, sind landesweite pädagogischen Bemühungen in Vorarlberg anzusehen. Das "Dornbirner Modell", spielerisch vor dem Kindergartenbesuch mit frühsprachlicher Förderung zu beginnen, wird auch in Lustenau, Hard, Bludenz, Frastranz und Rankweil in ähnlicher Form angeboten. Die Landeshauptstadt Bregenz startete noch im Herbst 2007 einen ähnlichen Versuch(vgl. http://vorarlberg.orf.at/stories/224214/ > 11.4.2012).

3.9 Zeittafel zu Minderheitsfragen in Österreich    

1867 Staatsgrundgesetz - Artikel 19: Rechte der Minderheiten

1901 2. Orthographische Konferenz - Einheitlichkeit der Rechtschreibung

1919 Staatsvertrag von St. Germain - Minderheitenschutzbestimmungen in Artikel 62 und 69

1920 Österreichisches Bundes-Verfassungsgesetz - Artikel 8: Deutsch als "Staatssprache der Republik"

1920 Volksabstimmung über den Verbleib des südlichen zweisprachigen Teils Kärntens bei der Republik Österreich

1921 Volksabstimmung in Westungarn - Burgenland kommt zu Österreich

1945 NS-Verbotsgesetz - Verfassungsgesetz über das Verbot der NSDAP

1945 Das Schulfach "Deutsch" wird in "Unterrichtssprache" umbenannt

1945 Einführung des zweisprachigen Unterrichts an Volksschulen im zweisprachigen Gebiet Kärntens

1951 1. Auflage des "Österreichischen Wörterbuchs"(ÖWB)

1955 Österreichischer Staatsvertrag - Artikel 7 Minderheitenschutzbestimmungen

1957 Errichtung des Slowenischen Gymnasiums in Klagenfurt

1959 Minderheiten-Schulgesetz für Kärnten/BGBL. 1959/101

1962 Schulorganisationsgesetz(SchOG?) - Abschaffung der Volksschul-Oberstufe/Auswirkungen auf das Minderheitenschulwesen

1972 Unterzeichnung des Südtirol-Paktes - Autonomiestatus für Südtirol

1972 "Ortstafelsturm" in Kärnten - zweisprachige Ortstafeln werden gewaltsam demontiert

1976 Volksgruppengesetz - Anerkennung der Ungarn und Tschechen als Minderheit

1988 Minderheitenschulgesetz für Kärnten/BGBL. 1988/326, Novelle 1990/420

1991 Eröffnung einer zweisprachigen Volksschule in Klagenfurt

1992 Gesetzliche Regelung für Kinder mit anderer Erstsprache als Deutsch - Lehrplan: Deutsch als Zweitsprache und Muttersprachlicher Unterricht sowie Unterrichtsprinzip "Interkulturelles Lernen"

1992 Anerkennung der Slowakischen Minderheit durch Errichtung eines Volksgruppenbeirats

1992 Errichtung des dreisprachigen Volksgruppengymnasiums Oberwart

1993 Anerkennung der Roma und Sinti durch Errichtung eines Volksgruppenbeirats

1993 Großdemonstration gegen das "Ausländer-Volksbegehren"

1994 Minderheitenschulgesetz für das Burgenland/BGBL. 1994/641

1995 EU-Beitritt Österreichs

1998 Staatsbürgerschaftsgesetznovelle - Anforderungen über die Kenntnisse der deutschen Sprache

2000 Aufstellung von zweisprachigen Orstafeln im Buurgenland

2003 Inkrafttreten der "Integrationsvereinbarung"

2005 Verschärfung der Bestimmungen zu den Deutschkenntnissen im Integrationsvertag und Staatsbürgerschaftsgesetz

3.10 Beratungszentrum für Migranten und Migrantinnen Wien    

Das "Beratungszentrum für Migranten und Migrantinnen" in Wien besteht seit September 1983 und ist eine der ältesten und größten Beratungseinrichtungen in Österreich. Es ist eine wichtige und unabhängige Anlaufstelle für Migranten und Migrantinnen zu arbeitsmarktpolitischen, fremden- und sozialrechtlichen Fragen auf Vereinsbasis. Das Beratungszentrum betreibt eine eigene frauenspezifische Einrichtung.

Die langjährige Berufserfahrung, fundierte Ausbildung im sozialen Bereich und die kulturell-religiösen Hintergründe der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ermöglichen, dass Sprach- und soziokulturelle Barrieren wegfallen und dadurch eine gezielte und individuelle Problemlösungstrategie für diese Gruppe angeboten werden kann. Bei Bedarf werden zusätzlich mehrsprachige Gruppenberatungen durchgeführt. Die Räumlichkeiten und Ausstattung der Beratungsstelle sind zeitgemäß und den Bedürfnissen entsprechend.

Vielfältige Projekte und themenspezifische Öffentlichkeitsarbeit ergänzen die Beratungsangebote. Im Rahmen der Europäischen Gemeinschaftsintitiative EQUAL, die sich zum Ziel gesetzt hat, strukturelle Diskriminierung und Ungleichheiten am Arbeitsmarkt zu bekämpfen, engagiert sich das Beratungszentrum aktiv mit Projekten. Ziele sind die berufliche Wahl- und Aufstiegsmöglichkeiten für Migranten und Migrantinnen zu erweitern, Diskrimiminierung am Arbeitsmarkt abzubauen und die beruflichen Chancen zu fördern.

Rund 50 Prozent der Tätigkeit betreffen jeweils die Rechts- und Sozialberatung mit der notwendigen Begleitung, wobei die Ratsuchenden über Aufenthalt, Ausländerbeschäftigung, Arbeitssuche, Arbeitslosigkeit, Qualifikationen, Weierbildung, soziale Leistungen und Einbürgerung informiert und beraten werden. Vorrangig ist ständiges Organisieren mit Betreuen, weil Ratsuchende vor allem durch fehlende Sprachkenntnisse entsprechend vermittelt werden müssen.

Bildungsberatung führen drei Mitarbeiter durch, im Vordergrund steht hier die Weitervermittlung zu Sprachkursen. Fehlende Schulabschlüsse sind ebenfalls ein Problem. Jugendlichen wird zumeist empfohlen, den Hauptschulabschluss nachzumachen. Weitere Hürden sind die Lehrstellenvermittlung und die Anerkennung von Hochschul- und Universitätsabschlüssen, wobei in Österreich auch Zusatzausbildungen noch zu absolvieren sind.

Gleichzeitig arbeitet das Beratungszentrum - mit derzeit 14 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, davon sieben Frauen und sieben Männern, elf von ihnen selbst mit Migrantenhintergrund - im europäischen Migrationsdialog und einem europäischen Vernetzungsprojekt zu EU-Einwanderungs- und Integrationspolitik mit.

Im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit werden mehrsprachige Homepages, Informationsblätter und Vorträge angeboten. Stellungnahmen zur Ausländergesetzgebung, Organisation von Veranstaltungen zum Themenbereich, Bereitstellung des umfangreichen und bereichsübergreifenden Expertenwissens in Arbeitskreisen und entsprechenden Foren vervollständigen die Tätigkeiten des Zentrums.

Organisatorisch ist das Beratungszentrum unabhängig von politischen Geldgebern. 70 Prozent sichert das Arbeitsmarktservice/AMS und die Europäische Union/ESF sowie 30 Prozent die Magistratsabteilung 17/Integration das Budget ab.

Internethinweise:

http://www.migrant.at

http://www.interculturexpress.at

http://www.wequam.at


Kontakt:

Beratungszentrum für Migranten und Migrantinnen

Hoher Markt 8, A-1010 Wien

Tel.: 0043-(1)712 56 04

migrant@migrant.at


3.11 Dokumentation AK Vorarlberg/Wahl 1999    

Die folgende verkürzte Dokumentation entstand im Rahmen des 10. Universitätslehrganges "Politische Bildung" der Universität Salzburg/Schloss Hofen(2006) zur Präsentation einer politischen Konfliktanalyse (DINCER 2006).

Konfliktlage

In Österreich ist einmalig die Pflichtmitgliedschaft von Kammern - in diesem Fall der Kammer für Arbeiter und Angestellte("Arbeiterkammer/AK") - und die damit verbundenen politischen Wahlen zur Besetzung der Gremien. Bis in das Wahljahr 1999 bestand das politische Procedere in der Zulassung von nur österreichischen Kandidaten mit passivem Wahlrecht, obwohl auch ausländische Arbeitnehmer als Wähler(aktives Wahlrecht) zugelassen waren(vgl. dazu BAUBÖCK-PERCHINIG 2006, 735-736). 1999 war Österreich bereits Mitglied der EU und hätte somit Ausländern - etwa Staatsbürgern aus der Türkei auf Grund des Assoziationsabkommens - die gleichen Rechte als Arbeitnehmer zusprechen müssen. Somit stand ein politischer Konflikt - bewusst oder unbewusst mit Rechtsbruch - im Raum.

In Kenntnis dieser rechtlichen Situation kandidierte bewusst eine "Liste Gemeinsam" für die Wahl im April 1999 mit fünf türkischstämmigen Kandidaten. Vertreter der ÖVP, SPÖ und FPÖ hatten im Februar 1999 bei einer Sitzung der AK-Hauptwahlkommission diese Liste nicht zugelassen. Der einzige Jurist in dieser Kommission machte bereits in der Sitzung die Funktionäre auf das EU-Recht des passiven Wahlrechts aufmerksam. Demnach sind türkischstämmige Arbeitnehmer gleichzusetzen mit EU-Bürgern.

Die "Liste Gemeinsam" setzte sich insbesondere für Minderheitenrechte ein und kämpfte als eine der ersten AK-Fraktionen österreichweit dafür, dass ein Miteinander sinnvoller als ein Nebeneinander sei. Die Liste wandte sich nach der Steichung der Kandidaten an die zuständige Sozialministerin mit der Begründung, dass das Sozialministerium als Aufsichtsbehörde die Wahl rückgängig zu machen habe, andernfalls der Verwaltungsgerichtshof eingeschaltet würde. Sozialministerin Lore Hostasch lieferte eine Klarstellung - auch für die anderen Bundesländer - in einem Erlass an die Arbeiterkammern, in dem das passive Wahlrecht eingeräumt werden muss. Damit durften türkische Staatsbürger bei der AK-Wahl kandidieren. Außerdem wurde festgehalten, dass das Wahlverfahren in Vorarlberg nicht korrekt gewesen sei. Allerdings wurde die AK-Wahl in Vorarlberg nicht wiederholt und die Streichung korrigiert. Im Sozialministerium wurde die Begründung so formuliert: Bei der AK-Wahl handle es sich um ein Listenwahlrecht. Es seien zwar die fünf türkischen Kandaten gestrichen worden, die "Liste Gemeinsam" habe aber antreten dürfen. Ein Einfluss auf das Ergebnis sei damit nicht gegeben. Damit gab es eine Wahlanfechtung beim Verwaltungsgerichtshof(VGH).

Gleichgewichtige/ungleichgewichtige Erfolgschancen und deren Gründe

Die "Liste Gemeinsam" wandte sich an den VGH und dieser wiederum zur Auslegung des "Assoziationsabkommens der Türkei mit der EU" an den Europäischen Gerichtshof(EuGH?). Dieser entschied im Mai 2003, dass die österreichische Staatsbürgerschaft keine Voraussetzung dafür sei, dass jemand für die Vollversammlung der AK wählbar ist. Die AK-Wahl Vorarlberg musste dennoch nicht wiederholt werden. Es wurde bestätigt, dass türkischstämmige Kandidaten zu unrecht von der Liste gestrichen wurden und es geltenden Recht ist, dass Arbeitnehmer aus Drittstaaten mit Arbeit und zweijähriger Kammerzugehörigkeit das aktive und passive Wahlrecht besitzen.


Die Entscheidung des VGH und des EuGH? führte in der Folge dazu, dass es bei anderen Interessensvertretungen zu Anpassungen kam, so etwa bei Wahlverfahren zu Betriebsrats-, Jugendvertrauens- und Arbeiterkammerwahlen sowie zu einer Änderung des Arbeitsverfassungsgesetzes und des AK-Gesetzes. Dies führte zur Stärkung einer betrieblichen Demokratie.

3.12 Tirol    

Migration in Tirol ist kein neues Phänomen, vielmehr gibt es jahrhundertlange Ein- und Auswanderungsbewegungen im Lande(vgl. beispielhaft STÖGER 2002). "Im Zuge der Transformationsprozesse, die im Zeichen der Globalisierung stehen, nimmt sie jedoch neue Formen an, die entsprechende politische Maßnahmen erfordern"(WEISS 2006, 3).

''IT-Hinweis http://www.uibk.ac.at/leopoldine/gender-studies/bildung_migration_tirol.pdf > 1.3.2014

Problembereiche sind in Tirol auch das Bildungssystem und der Arbeitsmarkt, es geht ebenso auch um Fragen der Zugehörigkeit und der Aufnahme im Gastland. Damit ist der Ein- und Ausschlussmechanismus in der Aufnahmegesellschaft angesprochen. Hier zeigt es sich, dass solche Prozesse nur mit gesamtgesellschaftlicher Struktur ablaufen, deren Gestaltung von ökonomischen, kulturellen und sozialen Ressourcen abhängig sind(vgl. BOURDIEU 1997).

Wohnbevölkerung Tirols nach Staatsbürgerschaft 1990 - 2004

 Gesamtösterr. StaatsbürgerProzentausländische StaatsangehörigeProzent
1990621.826588.05594,633.7715,4
2000672.209608.52190,563.6889,5
2004692.281623.08090,069.20110,0

Quelle: Amt der Tiroler Landesregierung, Landesstatistik Tirol 2005, 11

Tirol weist vergleichsweise zu den anderen Bundesländern eine geringere Zahl von Einbürgerungen auf. Österreichweit waren im Jahre 2004 die Einbürgerungen rückläufig, aus der Landesstatistik Tirol ergeben sich dagegen hohe Zahlen in diesem Jahr. Im Vergleich zu 2003 ergibt sich eine Zunahme von 15 Prozent. Aus dem Rechtstitel des zehnjährigen Wohnsitzes erfolgten 38 Prozent der Einbürgerungen 2004, weitere 50 Prozent durch Erstreckung der Staatsbürgerschaftsverleihungen auf Ehegattinnen und Ehegatten sowie Kinder. Führend sind Staatsangehörige der Türkei(55 Prozent) und des ehemaligen Jugoslawiens(35 Prozent), die 90 Prozent der Einbürgerungen aufweisen(vgl. 1985: 6 Prozent). 39 Prozent der neuen Staatsbürger im Jahre 2004 wurden in Österreich geboren, 61 Prozent kamen in einem anderen Land zur Welt. 49 Prozent der Eingebürgerten sind Frauen und 39 Prozent sind noch nicht 15 Jahre alt(LANDESSTATISTIK TIROL 2005, 54-55). Für den Spitzenwert 2004 gibt es zwei Gründe: einmal blieben Anträge auf Grund personeller Engpässe liegen, zum anderen häuften sich Fälle einer zehnjährigen Wohnsitzführung in Tirol als Voraussetzung für eine Einbürgerung(vgl. WEISS 2006, 17).

Anteile ausländischer Staatsangehöriger in Tirol nach Nationalität 2004

 ZahlProzent
Gesamt61.201100
Deutschland17.12124,7
ehemaliges Jugoslawien21.64531,3
Türkei13.17619,0
Italien3.5125,1
Niederlande1.1981,7

Quelle: Amt der Tiroler Landesregierung, Landesstatistik Tirol 2005, 13

Der hohe Anteil von Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien erklärt sich aus dem Balkankrieg in den 90er Jahre, bei dem diese Personengruppe als Flüchtlinge nach Tirol kamen und einen wesentlich stärkeren Rückkehrwunsch haben als in Österreich lebende Türkinnen und Türken.


Tirol in Zahlen/2010

710 048 Einwohner hat Tirol, 78 200(11 Prozent) davon sind Ausländer.

93 Prozent der ausländischen Bevölkerung Tirols kommen aus europäischen Staaten incl. der Türkei. Rund 53 Prozent der Ausländer/innen sind EU-Bürger.

Mit 16,5 Prozent ist der Ausländeranteil im Bezirk Innsbruck-Stadt tirolweit am höchsten. Am niedrigsten ist er mit 3,5 Prozent im Bezirk Lienz.

Mit 26 200 Personen bilden deutsche Staatsangehörige die stärkste Ausländergruppe.

115 500 Menschen mit Migrationshintergrund leben in Tirol. Davon sind 85 000 selbst zugewandert. 30 500 Personen wurden als Kinder eingewanderter Eltern geboren.

Internethinweis:

http://www.tirol.gv.at/themen/zahlen-und-fakten/statstik/publikationen/ > Demographische Daten 2010


3.13 Vorarlberg    

Dsa Bundesland Vorarlberg hat mit seiner spezifischen Problematik der Zuwanderung einen besonderen Stellenwert in der Migration in Österreich. Im Folgenden soll daher darauf eingegangen werden.

3.13.1 Besonderheiten    

Zwei Besonderheiten zeichnen das Bundesland Vorarlberg in der Migrationsproblematik aus:

Aus diesen zwei Phänomenen ergeben sich Folgerungen, die von besonderem Interesse sind.

Statistisch ist in den einzelnen Regionen bzw. Gemeinden die Wanderungsentwicklung unterschiedlich. Im Montafon, im Großen Walsertal und in weiten Teilen des Bregenzer Waldes wandern mehr Personen ab als zu, während im Kleinwalsertal, am Arlberg und in den größeren Gemeinden des Rheintals sich mehr Zuwanderung ergibt.

Wanderungsgewinne sind auf eine Außenwanderung zurückzuführen. In den letzten zehn Jahren wanderten mehr Inländer aus Vorarlberg ab als zugewandert sind, ebenso zeigt sich diese Tendenz bei Staatsbürgern aus dem ehemaligen Jugoslawien. Eine verstärkte Zuwanderung ist bei deutschen und türkischen Staatsbürgern bemerkbar(vgl. MAYER-RÜCKER 2006, 5).

3.13.2 Migration nach dem Zweiten Weltkrieg    

Die meisten Arbeitsplätze entstanden nach 1945 in der Textilindustrie. Ab 1950 waren bis zu 75 Prozent der Industriearbeitskräfte hier tätig. Durch die höheren Löhne in der Schweiz wanderten Vorarlberger Arbeitskräfte ab, Inländer kamen als Arbeitsmigranten nach Vorarlberg.

Diese Binnenwanderung brachte Gewinne für die Unternehmen, da Inländer aus Ostösterreich bereit waren, geringere Löhne als Vorarlberger Arbeitskräfte zu akzeptieren.

Dies trifft in der Folge auch für die ab 1960 einsetzende jugoslawische und ab 1970 türkische Arbeitsmigration zu.

3.13.3 Aktuelle Migration    

Geht man vom Jahr 2004 aus, ist das Kleinwalsertal mit 10,6 Promille die beliebteste Wanderungsregion. Das Rheintal und der Walgau folgen mit 4,1 Promille, das Große Walsertal hat die größten Wanderungsverluste mit - 7,5 Promille(vgl. MAYER-RÜCKER 2006, 8). Ab 2005 kann man statistisch von einem Wanderungsstillstand in Vorarlberg sprechen, d.h. die Bevölkerungsfortschreibung basiert auf Grund der Geburtenbilanz und eine Wanderungsbewegung kommt nicht vor.

Im Jahre 2004 haben rund 1 400 Personen mehr ihren Hauptwohnsitz in einer Vorarlberger Gemeinde. Einem Wanderungsgewinn bei Ausländern(+ 2 117) steht ein Verlust bei Inländern(- 716) gegenüber. Die meisten Zuwanderer kamen aus Deutschland(+ 824), der Türkei(+ 564), der Schweiz(+ 180), der Ukraine(+ 99), aus Serbien und Montenegro(+ 70) und Polen(+ 46). Statistisch von Interesse ist die Bewegung der Kroaten(+ 129, - 122), Ungarn(+ 80, - 72) und Italiener(+ 69, - 68).

Ab 1990 gab es in Vorarlberg kleinere jährliche Wanderungsgewinne, ab der Volkszählung 2001 sind so gut wie keine Wanderungen feststellbar(vgl. STATISTIK AUSTRIA 2007, 42).

Zugenommen hat die Bevölkerung gegenüber 2007 duch Geburtenüberschuss um rund 1 400 Personen. Mit Ende Juni 2008 leben in Vorarlberg 367 300 Einwohner. Es gibt es einen gleichbleibenden Ausländeranteil von 12,6 Prozent. Eingewandert sind vor allem deutsche Staatsbürger(vgl. http://vorarlberg.orf.at/stories/294390/ > 11.4.2012).

3.13.4 Integrationsarbeit in Vorarlberg    

Geht man nun von dem aktuellen statistischen Befund aus, so ist aus einem "Rotationsmodell" - ausländische Arbeitskräfte sollten nur vorübergehend bleiben - ein "Bleibemodell" geworden. Damit stellten sich Fragen der Integration, die bestimmt werden

Integrationspolitik ist nunmehr als Gesellschaftspolitik zu verstehen, wobei die Zuständigkeit der politischen Systeme auch auf die spezifischen Bedürfnisse dieser Zielgruppe auszugehen hat(vgl. GRABHERR 2007, 258). Orientierungspunkte sind die Bedürfnislage der Zielgruppe, also ihrer Problemlage mit präventiven sozial- und kulturpolitischen Aufgabenbereichen(u.a. Partizipationsmöglichkeiten im öffentlichen Leben und Sozialprogramme).

Zu verhindern ist eine ethnische Unterschichtung mit einer Verfestigung von Ungleichheiten und zu fördern sind Teilhabe-Chancen(u.a. eine Förderung des Bildungspotentials dieser Gruppe).

Damit sind Strukturen für eine Etablierung von Integration notwendig. Vorarlberg ist(auch) Einwanderungsland geworden.

Beispiele für einen notwendigen Politikwechsel sind

Je öffentlicher die politische Diskussion geführt wird, desto stärker die Signalwirkung, dass Integration nicht nur eine Bringleistung der Migranten darstellt, sondern auch für die Mehrheitsbevölkerung notwendig ist.

Von Interesse ist die Wahl von Vahide Aydin als erste türkischstämmige Frau zur Abgeordneten zum Vorarlberger Landtag 2009 (vgl. http://vorarlberg.orf.at/stories/391829/ > 11.4.2012).


Dass kulturell-religiös Integrationsbemühungen in Verbindung mit dem Islam in Vorarlberg umstritten sind und öffentlich sich in einem Diskussionsprozess befinden, zeigt die Stellungnahme des katholischen Diözesanbischofs Elmar Fischer vom 18. März 2008: http://vorarlberg.orf.at/stories/264428/ und Gegenstellungnahmen bzw. Kommentierungen vom 19. März 2008: http://vorarlberg.orf.at/stories/264620/ und 20. März 2008: http://vorarlberg.orf.at/stories/264998/ sowie Stellungnahmen in der Folge: http://vorarlberg.orf.at/stories/270201/

Von Interesse ist die Minarettdiskussion in Bludenz, die mit 14. August 2008 ein Ende findet: http://vorarlberg.orf.at/stories/300135.

Mehr Mut in der Intergrationspolitik und weniger panische Diskussionen sind ebenfalls Positionen, wie sie anlässlich der Feier zum zwanzigjährigen Bestehen des Jüdischen Museums Hohenems im 2. Juli 2011 öffentlich gefordert wurden: http://vorarlberg.orf.at/stories/524296/ > 11.4.2012


3.14 Frauenspezifische Aspekte    

Zu den wichtigen Erkenntnissen der Migrationsforschung im letzten Jahrzehnt gehört die These der Heterogenisierung der Migranten.

Sprach man in den 70- und 80-iger Jahren über Ausländer und Gastarbeiter - überwiegend männliche türkische Gastarbeiter - setzt man sich in den späten neunziger Jahren mit Migranten, Menschen mit Migrationshintergrund und Personen mit Zuwanderungsgeschichte auseinander.

Kennzeichnend ist der veränderte wissenschaftliche Gebrauch von Fachbegriffen, damit die Verwendung differenzierender Definitionen(vgl. AUBELE-PIERI 2011, 130).

Die Figur des/der typischen Migranten/in gibt es(zumindest) im wissenschaftlichen Diskurs und in der heutigen poltischen Realität nicht(mehr).

In der Politischen Bildung(und im politischen Diskurs)widerspiegelt sich eine Verfestigung des Aufenthalts und eine veränderte Konzeption der Migrationsproblematik mit dem didaktischen Auftrag zum "Interkulturellen Lernen" und einer "interkulturellen Kompetenz"(vgl. HOLZBRECHER 1997/2004; HOLZBRECHER 2007, 392-406; SANDER 2007).


Internethinweis:

http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Vorberufliche Bildung in Österreich


Eine Datenauswertung von Migrantinnen ergibt ein Zahlenmaterial über ihre Lebenslage und eine analytische Auseinandersetzung ihres Integrationsstatus(vgl. AUBELE-PIERI 2011, 136). Mit der Auswertung amtlicher Statistiken nach 2005 ergibt sich ein genaues Zahlenmaterial. So ist der Anteil von Migrantinnen kontinuierlich gestiegen. Frauen fernöstlicher Abstammung sind prozentual gegenüber anderen Migrantengruppen in der Überzahl, was auf eine Heiratsmigration schließen lassen könnte, wobei der Prozentsatz des Ehepartners mit einem einheimischen Partner dafür spricht. Wesentlich ist auch die Entwicklung zu einer Partnerwahl aus dem Herkunftsland und die inzwischen damit verbundene Familienzusammenführung.

Allgemein ist die Bildungssituation von Migrantinnen schlechter als die der Einheimischen. In der AHS-Laufbahn sind Schülerinnen unterrepräsentiert. Migrantinnen bleiben öfter als Einheimische ohne Abschlüsse, die Entscheidung für ein Studium ist geringer. In der Auswertung und Interpretation gibt es uneinheitliche Analysen/Aussagen über die Verantwortung für die Situation. So stellen sich folgende Fragen: Liegt die Verantwortung bei den Migrantinnen oder der Aufnahmegesellschaft? Spielt der jeweilige kulturelle, religiöse und/oder ethnische Hintergrund sowiedie soziale Schicht der Familie und deren Bildungsnähe/-aspiration eine Rolle? Gibt es eine diskriminierende Wirkung des Lehrpersonals, auch bei Empfehlungen und Bildungsberatungen für weiterführende Schulen? Wirkt sich das Schulsystem hinderlich für Migrantinnen aus? Sind Bildungsprobleme durch gezielte deutsch-Sprachförderung zu lösen und/oder ist die muttersprachliche Erziehung mindestens genau so wichtig für den Bildungserfolg? Jedenfalls sind die Sprachkenntnisse der einzelnen Migrantengruppen/Migrantinnen höchst unterschiedlich, türkischstämmige Frauen schätzen ihre Deutschkenntnisse am wenigstens gut ein. In engem Zusammenhang damit hängt die Kommunikationsfähigkeit/-offenheit bzw. Geschlossenheit mit/in der Aufnahmegesellschaft. Fördermaßnahmen wie Sprachkurse und Diskussionsabende sind daher Bestandteile einer gesellschaftlichen Etablierung. Inwieweit Bilingualität erfolgreich gesellschaftlich eingesetzt werden kann, hängt von der Kenntnis der jeweiligen Sprachen und ihrer Bedeutung ab. Damit unterscheidet sich der Bildungserfolg individuell bei den einzelnen Migrantinnen und gesamtgesellschaftlich bei den Migrationsgruppen. Der Erfolg bei türkischen und ex-jugoslawischen Migrantinnen ist gering, Polinnnen sind beispielsweise wesentlich besser gebildet. Nach derzeitigem Erkenntnisstand handelt es sich um einen Set zusammenhängender Faktoren, etwa der sozialen Schicht, Familienstruktur, Bildungsansprüchen, Einwanderungsmotiven, Ethnizität und Sprachkenntnissen.

In der Folge wirken sich die angeführten Aspekte direkt oder indirekt auf die Beschäftigungssituation von Migrantinnen aus. Traditionelle Geschlechtervorstellungen, schlechtere Sprachkenntnisse, mangelhafte Ausnützung von Bildungsmöglichkeiten, weniger Wertschätzung einer Bilingualität, mangelhafte Berufserfahrung/"Berufsorientierung", mangelhafte vorbereitende Maßnahmen zur Einmündung in die Arbeits- und Berufswelt(vorberufliche Maßnahmen für Migrantinnen/Migranten), fehlende Frauen-Netzwerke und Beratungseinrichtungen sowie mangelhafte Vereinbarkeit von Familie und Beruf verschleppen eine Berufstätigkeit und einen wertvollen Ressourceneinsatz in der Berufswelt bei Migrantinnen. Entsprechend wiederholen sich immer wieder die Appelle für mehr Beruftsätigkeit, insbesondere in speziellen Bereichen wie in Bildungsinstitutionen, Gesundheitseinrichtungen und allgemein im Öffentlichen Dienst(vgl. als Beispiel http://www.orf.at/#/2081982 > 30.9.2011). Die vorliegende Daten bestätigen die erheblichen Unterschiede nach Nationalität, wobei natürlich zu bedenken ist, dass Migrantinnen mit EU-Nationaltät eine bevorzugte Stellung am Arbeitsmarkt haben.


Bildungsferne der Eltern wirkt sich aus. Mögliche patriarchale Rollenmodelle und eine Heiratsmigration sowie gefestigte Community-Strukturen können einen Zugang zum Arbeitsmarkt erschweren.

EU-Ausländerinnen haben dagegen eine bevorzugte Stellung am Arbeitsmarkt und in der Anerkennung von Bildungsabschlüssen. In jedem Fall bedarf es vermehrter Migrantinnen-Beratung, spezifischer Migrantinnen-Bildungsmaßnahmen - beginnend von der Schule bis zu Erwachsenenbildungsinstutionen - und spezieller Migrantinnen-Sozialeinrichtungen. Die unterschiedlichen Lebenslagen sollten vermehrt berücksichtigt werden(vgl. AUBELE-PIERI 2011,140).


Höchst unterschiedlich ist die Anbindung von Migrantinnen an die Familie. Von Interesse ist die intra- bzw. interethnische Familiengründung, wobei die Unterscheidung an Bedeutung im Zuge der Einbürgerung gewinnt. Intraethnische Heiraten dominieren in Österreich bei türkischen und ex-jugoslawischen Frauen mit der sogenannten "Gastarbeiterherkunft", während bei den neuen Zuwanderern - EU-Länder und Ferner Osten - das Heiratsverhalten eher interethnisch orientiert ist.

Bei den Freizeitaktivitäten spielen ebenfalls intra- und interethnische Kontakte eine Rolle. Mangelhafte Kontakte mit Einheimischen beruhen nicht nur auf einer Abschottung der Migrantinnen(und Migranten), sie sind auch Ausdruck einer eingeschränkten Bereitschaft der Aufnahmegesellschaft. Auf Grund von Abhängigkeiten bei der Beschäftigung, in Familien, aus kulturellen und/oder finanziellen Gründen, fehlt mitunter die Sachebene zu Kontaktanknüpfungen, etwa in Kultur- und Sportvereinen sowie ehrenamtlichen Tätigkeiten. Jedenfalls sind Migrantinnen, die aktiv im Berufsleben - mit entsprechender Ausbildung und Sprachkenntnissen - eingebunden sind, für Möglichkeiten der Freizeitgestaltung offener(vgl. AUBELE-PIERI 2011, 142).

Für Migrantinnen(und Migranten) ist in ihrer Zuwanderungsgeschichte ein Integrationserfolg von besonderer Bedeutung. Kognitiv-kulturelle Intergration(Sprachkenntnisse, Bildungsabschlüsse, Kenntnis der Aufnahmegesellschaft, Alltagswissen), soziale Integration(Netzwerke, Freundschaften, Heirat - Transnationalisierung der Sozialkontakte) und emotionale/identifikative Integration(Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Aufnahmelandes) spielen eine wichtige Rolle(vgl. KALTER 2008). Integration ist abhängig auch von den Handlungsmöglichkeiten in der Aufnahmegesellschaft. Rechtliche, politische und kulturelle Zugänge entscheiden über eine Aufnahme und ein Eingebundensein in die Gesellschaft des Aufnahmelandes. Ungleichheitsaspekte werden aufgezeigt(vgl. MAU 2007, OSWALD 2007, WEISS 2010). Frauenmigration bedeutet keineswegs immer eine gelungene Integration(vgl. die Biographie einer Studentin, Expertin, Asylantin, Zwangsprostituierten und Heiratsmigrantin).

Letztlich ist nicht zu unterschätzen die mediale Wahrnehmung von Migrantinnen in der Aufnahmegesellschaft. Journalisten wählen den Zugang zur Berichterstattung selektiv aus, wobei unauffällige Migrantinnen kaum bemerkt werden. Medienrelevant sind vielmehr "Fremde" und Skandalisierungen. Ein relativ starres und verallgemeinerndes Bild wird gerne von Migrantinnen konstruiert, weniger als Bild, öfter mit einer problematischen Beschriftung(vgl. AUBELE-PIERI 2010, 145). Dabei werden die Unterschiedlichkeiten von Migratinnen in ihrer Herkunft - etwa Osteuropa, Westeuropa, Nord- und Südamerika, Ferner Osten, Afrika - kaum thematisiert. Ebenso finden im Gesamtbild der Migrantin kaum Vertreterinnen wie muslimische TV-Moderatorinnen, Parlamentsabgeordnete oder Professorinnen - ohne Kopftuch oder Schleier - einen Platz. "Eine mediale Reduzierung der Fremdheit auf den Islam ist eine besonders nach dem Jahr 2001 stark ausgeprägte Tendenz"(AUBELE-PIERI 2011, 148).

STATISTIK - BERICHTE/Auswahl    

Statistisches Jahrbuch für Migration und Integration 2010: STATISTIK AUSTRIA    

Zum dritten Mal erschien 2010 das Statistische Jahrbuch für Migration & Integration, erstellt und herausgegeben in Zusammenarbeit von der Statistik Austria mit der Kommission für Migrations- und Integrationsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Neben Daten und Fakaten sind auch erstmals 25 definierte Indikatoren zur Beurteilung von Integrationsprozessen enthalten. Diese reichen von demographischen Daten über die sozioökonomische Situation bis zum Thema Sicherheit.

Anfang 2010 gab es 895 000 ausländische Staatsangehörige in Österreich (10,7 % der Bevölkerung). Im Durchschnitt des Jahres 2009 lebten rund 1.468 000 Personen(17,8 %) mit Migrationshintergrund in Österreich. Davon sind 1, 083 000 selbst im Ausland geboren. Knapp 386 000 Personen sind in Österreich geborene Nachkommen von Eltern mit ausländischem Geburtsort und werden daher auch als "zweite Generation" bezeichnet. Unter den Personen mit Migrationshintergrund stammte ein Drittel(487 000 Personen) aus anderen EU-Ländern, zwei Drittel(981 000 Personen) kamen aus Drittstaaten. Mit 496 000 wearen Personen aus den jugoslawischen Nachfolgestaaten die größte Gruppe, gefolgt von rund 248 000 Personen mit türkischem Migrationshintergrund.

Personen mit Migrationshintergrund sind in den höchsten(17,4 % Hochschulabschluss) und niedrigsten Bildungsschichten(31,3 % Pflichtschulabschluss) deutlich öfter vertreten als die Bevölkerung ohne Migrationshintergrund(13.7 % Hochschulabschluss; 13,3 % Pflichtschulabschluss). Der überdurchschnittliche Anteil gut qualifizierter Zuwanderer ist vor allem auf die Zuwanderung aus der EU(in erster Linie aus Deutschland) zurückzuführen, wogegen Zuwanderer aus dem ehemaligen Jugoslawien und der Türkei deutlich geringer qualifiziert sind.

Zuwanderer stehen in geringerem Maß im Erwerbsleben. So lag die Erwerbstätigenquote von Migranten 2009 bei 64 %, jene der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund bei 74 %. Dieser Unterschied ist auf die niedrigere Erwerbsbeteiligung von Migrantinnen, insbesondere von türkischen Frauen(39%) zurückzuführen. Bei der "zweiten Generation" hat sich das Erwerbsverhalten weitgehend an die Bevölkerung ohne Migrationshintergrund angenähert. Im Gegensatz dazu war 2009 die Arbeitslosigkeit der ausländischen Staatsangehörigen mit 10,2 % deutlich höher als jene der österreichischen Bevölkerung(6,7 %, nationale Definition). Allerdings waren im Durchschnitt höher qualifizierter Zuwanderer aus EU-Staaten weitaus weniger von Arbeitslosigkeit betroffen als gering qualifizierte aus Drittstaaten.

Das Lohnniveau ist bei Zuwanderern deutlich niedriger. Ausländische Staatsangehörige, die ganzjährig erwerbstätig waren, verdienten netto 2008 mit € 17 949 rund 15 % weniger als der Durchschnitt in Österreich(€ 21 156). Gleichzeitig wear mehr als Viertel(26 %) der ausländischen Bevölkerung armutsgefährdet, während es bei der inländischen Bevölkerung rund 11 % waren.

Das Integrationsklima in Österreich wird von der Bevölkerung pessimistisch eingeschätzt. Mehr als zwei Drittel sind der Meinung, dass Integration eher schlecht oder sehr schlecht funktioniere. Die zugewanderte Bevölkerung teilt diesen Pessimismus überwiegend nicht. 86 % fühlte sich in Österreich bereits völlig oder eher heimisch.

Die vom Bundesministerium für Inneres(BM.I) und vom Europäischen Integrationsfonds finanzierte Publikation ist über die Statistik Austria und den Österreichischen Integrationsfonds verfügbar.

Integrationsbericht 2011 des Innenministeriums/B.M.I    

Die Zuwanderung nach Österreich ist 2010 gestiegen. Laut aktuellem Integrationsbericht das BM.I lebten 2010 1,54 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, was 18,6 Prozent der Gesamtbevölkerung entspricht.

Die Zuwanderung stieg, die Zahl der Asylbewerber war weiter rückläufig. Die Zuwanderer sind etwas jünger als die Österreicher, bekommen mehr Kinder und haben teilweise ein schlechteres Bildungsniveau und damit weniger Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

2010 wanderten 114 000 Personen zu, 87 000 verließen das Land. Die Abwanderung blieb damit gleich, die Zuwanderung stieg um 7 000 Personen wegen der Erholung der Konjunktur und der stärkeren Nachfrage nach Arbeitskräften. Erhöht auf 59 000 EU-Bürger hat sich die Zuwanderung aus der EU, besonders aus Rumänien, Ungarn, der Slowakei und Polen. Den größten Anteil stellten die Deutschen(18 000). 39 000 Zuwanderer kamen aus Drittstaaten, ein Drittel davon aus Staaten des früheren YU und dem restlichen Europa, ein weiteres Drittel aus Asien und Afrika. Gering fiel die Zuwanderung aus der Türkei aus(4 000). 16 000 Zuzüge entfielen auf zurückkehrende Österreicher. Die Zahl der Asylwerber verringerte sich auf 11 000.

Quelle: http://www.orf.at/#/stories/2067064/ (5. Juli 2011)

Integrationsstaatssekretariat des BM.I - 20 Vorschläge zur Integration/6. Juli 2011    

Hinweis: http://www.orf.at/stories/2067260/2067267 > 6.7.2011

Wanderungstatistik 2012    

2012 sind 140 000 Personen aus dem Ausland zugezogen, 96 600 weggezogen. Die am 15. Juli 2012 präsentierten Daten zeigen ein Plus von 43 800 Personen an Zuwanderung an. Das bedeutet im Jahresvergleich eine Steigerung um 40 Prozent, an der österreichische Staatsbürger beteiligt sind.

Weil mehr österreichische Staatsbürger weggezogen als zugezogen sind, ergibt dies ein Saldo mit minus 7 400 Personen.

Das Saldo bei nichtösterreichischen Staatsbürgern belief sich 2012 auf plus 51 2000 Personen und war damit höher als 2011(plus 37 100 Personen). 62 Prozent entfiel auf EU-Bürger(absolut plus 31 500 Personen).

Migration findet vor allem innerhalb der EU statt. Die größte Gruppe der neu Zugewanderten waren ungarische Staatsangehörige(plus 6 600 Personen), es folgen Deutsche(plus 6 200 Personen) und Rumänen(plus 5 400 Personen).

Das Wanderungssaldo mit Nicht-EU-Staaten lag bei plus 19 700 Personen, wovon rund 45 Prozent auf Europäer entfielen. Fast ebenso viele Personen kamen aus Asien. Das Zuwanderungsplus aus dem gesamten afrikanischen Kontinent betrug lediglich 1 380 Personen.

Mit 1 800 Personen wanderten mehr Personen aus Russland nach Österreich als aus Afrika. Abgesehen von Russland kamen aus Serbien 1 700 und aus Bosnien-Herzogowina 1 500 Zuwanderer.

Für die Zuordnung als Zuwanderer gilt, dass ein in Österreich geborenes Kind ohne österreichischen Pass als Zuwanderer gilt.

2012 betrug der Ausländeranteil rund 11,9 Prozent. Rund 41 Prozent stammten aus der EU(16 Prozent aus Deutschland). Unter den Ausländern aus Nicht-EU-Staaten waren türkische Staatsbürger mit 113 700 die größte Nationalität vor serbischen Staatsangehörigen(111 300 Personen).

Mittelpunkt der Zuwanderung und ausländischen Bevölkerung ist die Bundeshauptstadt Wien. Rund 44 Prozent der Nettozuwanderung aus dem Ausland im Jahre 2012 entfielen auf Wien(plus 19 100 Personen). Mit Stichtag 1. Jänner 2013 war der Ausländeranteil mit 23 Prozent fast doppelt so hoch wie im österreichischen Durchschnitt.

Quelle: http://orf.at/stories/2190970/2190973 > 15.7.2013

Bildungsstand der migrantischen Bevölkerung 2012    

Migrantinnen und Migranten verfügen zu 25 Prozent über einen höheren Bildungsabschluss(Reifeprüfung bzw. weiterführende Studien), davon 17 Prozent über ein Hochschulzeugnis.

29 Prozent der Klientel haben einen Pflichtschulabschluss als höchsten Bildungsabschluss.

In beiden Fällen sind die Prozentsätze höher als jene der Bevölkerung ohne migrantischen Hintergrund.

Nach der STATISTIK AUSTRIA 2012 nähert sich der Bildungsstand der zweiten Geberation dem der Nicht-Migrantinnen bzw. Migranten kontinuierlich.

Lernende mit ausländischer Staatsbürgerschaft sind in Hauptschulen, Polytechnischen Schulen und Sonderschulen überrepräsentiert(Durchschnitt an österreischen Schulen 10 Prozent, Sonderschulen 18 Prozent, AHS/BHS 7-8 Prozent). Die Über- bzw. Unterpräsenz korreliert nicht mit der nationalen Herkunft, vielmehr mit dem sozioökonomischen Status der Familien.

13 Prozent der nicht-deutschsprachigen Lernenden setzen ihre Ausbildung nach der achten Schulstufe(Hauptschule) nicht fort, nur 4 Prozent betrifft das deutschsprachige Lernende(STATISTIK AUSTRIA 2012).

Rund 23 Prozent beträgt der Anteil an ausländischen Studiertenden an österreichischen Universitäten(STATISTIK AUSTRIA 2012). Mehr als zwei Drittel kommen aus der EU bzw. EWR. Der höchste Anteil stammt aus Deutschland.

Auffallend ist die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte unter ihrem Qualifikationsniveau(vgl. KRAUSE-LIEBIG 2011). Probleme treten bei fremdenrechtlichen Aspekten, Diskriminierungen, Sprachkenntnissen, Zeitfaktoren, Informationsmangel und Strategien der Arbeitsvermittlungsbehörden auf, die erworbene ausländische Qualifikationen nicht berücksichtigen(vgl. BIFFL-PFEFFER-ALTENBURG 2013).

Globale Migration    

In einer globalisierten Welt nimmt keineswegs die Migration zu. Die globalen Migrationsströme waren zwischen 1990 und 2010 relativ stabil(vgl. http://science.orf.at/stories/1735696/ > 28.3.2014).

Im Durchschnitt verlegten in den gemessenen Fünf-Jahres-Intervallen je rund 0,6 Prozent der Weltbevölkerung ihren Wohnsitz in ein anderes Land. In 196 Ländern haben die Wissenschaftler des "Instituts für Demographie" der Akademie der Wissenschaten und des "Wittgenstein Centre for Demography and Global Human Capital"/Wien vom 1990 bis 2010 in Fünf-Jahres-Abständen den Wohnort von Personen am Anfang einer Fünf-Jahres-Periode miut dem an deren Ende verglichen. Verfasst wurde die Studie "Quantifying Global International Migration Flows" von Guy ABEL und Nikola SANDER.

Die Zahl der weltweiten Migrantinnen und Migranten war zwischen 1990-95 und 2005-2010 mit jeweils rund 41, 5 Millionen Personen am höchsten und lag dazwischen bei 34,2 Millionen(1995-2000) bzw. 39,9 Millionen(2000-2005). Gemessen an der Weltbevölkerung sank der Anteil der Zuwanderer von 0,75 Prozent(1990-1995) auf 0,61 Prozent(2005-2010). Die hohe Zahl der Zuwanderer am Beginn der neunziger Jahre führt SANDER auf die Konflikte in Afghanistan und Ruanda zurück. Diese Ereignisse dürften mehr Einfluss auf Wanderungsbewegungen als die Globalisierung haben.

Starke Wanderungsbewegungen finden in den südlich der Sahara befindlichen afrikanischen Ländern statt. Zwischen 2005 und 2010 wanderten rund 3,1 Millionen Personen, aber nur 1,2 Millionen sind von dort nach Europa ausgewandert.

Hauptgründe werden im niedrigen Bildungsstandard und Einkommen der Personen in diesen Ländern gesehen. Gefordert wird eine große Bildungsexpansion in Afrika, ansonsten bleibt es bei Migrationswellen nach Europa. Migrationsströme aus Afrika stammen primär aus Nordafrika und führen über Spanien und Italien.

Überraschend war die starke Migration von Süd- nach Westasien. Bisher sah man als starke Wanderungsbewegung die Migrationsströme von Zentral- nach Nordamerika an(von 2005 bis 2010 3,2 Millionen Personen). Im selben Zeitraum verlegten 4,9 Millionen Personen ihren Wohnsitz von Süd- nach Westasien(etwa Arbeitsmigration von Pakistan, Indien und Bangladesh in die Golfstaaten).

"Long-Distance"-Bewegungen in Richtung von Ländern mit höherem Einkommensniveau ist ebenso zu beobachten, wobei die Kosten der Migration proportional zur Distanz ansteigen. Das Ausmaß der Migration zwischen den Kontinenten ist bemerkenswert.

Die stärkste bilaterale Migration zwischen 2005 und 2010 gab es mit 1,8 Millionen Personen zwischen Mexiko und den USA, danach folgten Bewegungen zwischen Indien und den Vereinigten Arabischen Emiraten(1,1, Millionen) und Bangladesh nach Indien(600 000). Von China in die USA übersiedelten rund 500 000 Personen.


Zusammenfassend erkennt man zwischen 2005 und 2010, dass die USA mit einem Plus von 5 Millionen Personen das Einwanderungsland Nummer eins sind, gefolgt von den Vereinigten Arabischen Emiraten(plus 3 Millionen), Spanien(plus 2,2 Millionen) und Italien(plus 2 Millionen).

Die größten Nettoverluste weisen Indien(minus 2,9 Millionen), Pakistan(minus 2 Millionen) und China(minus 1,8 Millionen) auf. Österreich hat nach dieser Berechnung bei 214 000 Einwanderern und 54 000 Auswanderern ein Plus von 160 000 Zuwanderern. Laut SANDER ergeben sich diese Zahlen aufgrund einer von der Statistik begründeten Definition von Migration, die nicht mit den üblichen Bevölkerungsdaten etwa der Statistik Austria vergleichbar sind.

IT-Hinweis: http://science.orf.at/stories/1735696/ > 28.3.2014



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gedruckt am: 29. März 2024